Mai 262012
 

>Langsam fahren, die Straße ist heute morgen noch etwas rutschig<. Gut gemeinter Hinweis von der Dame am Kassenhäuschen. Ist bestimmt im Schnäppchenpreis von 22,- Euro für eine Runde Großglockner inbegriffen... Immerhin gibt es noch einen Aufkleber dazu, der bald einen Platz auf einem meiner Koffer finden wird. An schnelles Fahren ist zumindest in den unteren Regionen des Großglockner sowieso nicht zu denken. Dafür sind hier viel zu viele Fahrradfahrer unterwegs, die unkontrolliert von links nach rechts pendeln und die teilweise den Eindruck vermitteln, dass sie noch vor der nächsten Kurve dringend ärztliche Hilfe benötigen.


Land / Region:
Deutschland /Österreich / Bayern / Salzburg / Kärnten

Charakter:
Straße

Länge:
1598

Reisezeit:
Mai bis September



Aber wenn wir schon bei langsam sind . Zum Großglockner muss man erst einmal kommen. Einfach Augen zu und ab über die Autobahn kann jeder. Also erst einmal vom Taunus an den Starnberger See. Über Landstraße. Reisen statt rasen. An Rothenburg und Augsburg vorbei. Gute 400 Kilometer, für die die GS ungefähr sieben Stunden braucht. Sieben Stunden, in denen ein beschauliches Dörfchen sich mit dem anderen ablöst und in denen die Landschaft immer bayrischer wird. Woran man das merkt? Ganz einfach. Der Himmel wird immer weiß blauer und die Menschen in Dörfern fangen an in einer Sprache zu sprechen, die man nicht versteht. 

Das Hauptproblem nach der Ankunft in Starnberg ist erst einmal eine halbwegs bezahlbare Unterkunft zu finden. Der Starnberger See gilt als das Naherholungsgebiet des Münchner Geldadels, mit schwindelerregenden Auswirkungen auf die Preise für Unterkünfte und Gastronomie. Zum Glück haben wir den Tip eines Freundes in der Tasche. Die Pension Sonnenblick liegt zwar etwas außerhalb von Starnberg im Ortsteil Percha, ist aber für hiesige Verhältnisse unschlagbar günstig. Aber erst einmal finden. Nach gefühlter endloser Sucherei halten wir etwas außerhalb der Stadt und beschließen die eben gefahrene Strecke noch einmal ab zufahren. Wir müssen die Pension einfach übersehen haben. Und siehe da, keine 500 Meter entfernt liegt sie am Wegesrand und sagt kein Wort.

Nach einer kurzen Pause geht es mit dem Taxi nach Starnberg. Zu Fuß ist die Pension zu weit entfernt und Motorrad und Bier sind nun mal nicht die besten Freunde. Ein Rundgang am Ufer des Sees - immerhin der fünftgrößte in Deutschland -  und durch den Stadtkern bestärken uns in dem Entschluss Starnberg früh am nächsten morgen wieder der> Bussi Bussi< Gesellschaft zu überlassen und unsere Reise auf kleinen Nebenstraßen fort zu setzen. Man merkt die Nähe zu München doch all zu deutlich. 

Der nächste Tag soll mit einer Runde um den See beginnen. So haben wir uns das zumindest vorgestellt. Leider sieht man vom See nicht allzu viel. Zu zugebaut ist das Ufer. Trotzdem macht das Warm fahren der Reifen Laune und mit einem breiten Grinsen im Gesicht machen wir uns zu unserer nächsten Etappe auf – Berchtesgaden. Heute ist Geschichte angesagt. Wir wollen auf den Obersalzberg. Ein Besuch der >Dokumentation Obersalzberg<  ist geplant. Wir wollen sehen, wie die oberen 10.000 der Nazi Herrschaft dort oben ihre Zeit in den Bergen verbracht haben.

Die >Dokumentation Obersalzberg< bezieht Teile der noch erhaltenen Bunkeranlagen ein und verbindet den historischen Ort mit Dokumenten und Ausstellungsstücken. Ab 1923 war der Obersalzberg das Feriendomizil Adolf Hitlers und wurde ab 1933 zum „Führersperrgebiet“ ausgebaut. In den Nachkriegsjahren diente der Obersalzberg den amerikanischen Streitkräften als Erholungszentrum. Nach der Freigabe an den Freistaat Bayern im Jahr 1996 wurde 1999 die >Dokumentation Obersalzberg< errichtet. Beginnend mit der „Vorzeigeseite“ im hellen Gebäude – u.a. anhand von Bild- und Tondokumenten über begeisterte junge Mädchen, die zu Tausenden vor dem Berghof auf ihren „Führer“ warten – wird schrittweise in die Darstellung der Auswirkungen des Nazi-Regimes übergeleitet, die im Dunkel und in der Kühle des Bunkers mit Dokumenten der zur Judenvernichtung  ihr Ende findet.

Eine interessante, gut aufgemachte Ausstellung, in der die Zeit sehr schnell vergeht. 

Daher machen wir uns, am frühen Abend , jetzt leider im Regen  auf die Suche nach einer Unterkunft. Da die Erfahrung der letzten Touren gezeigt hat, dass die Übernachtung in Österreich mittlerweile günstiger ist, als in Deutschland

- wer hätte gedacht, dass ich so etwas jemals sagen würde...-

wollen wir heute noch über die Grenze. Und tatsächlich finden wir nach einigen Kilometern auf österreichischen Staatsgebiet eine kleine Pension, die Einzelzimmer mit Frühstück für 20,-€ die Nacht anbietet.  „Ihr Deutschen kommt halt nicht mehr automatisch...“ lässt mich die Pensionswirtin auf meine Frage nach dem günstigen Preis wissen. 

Gut ausgeschlafen und mit einem üppigen Frühstück im Bauch geht es am nächsten Morgen ohne Regen, aber dafür mit Sonnenschein weiter. Das Hauptziel unserer Tour steht auf dem Programm. Der Großglockner. Und so finden wir uns wieder bei der Eingangs beschriebenen Dame im Kassenhäuschen.  >Langsam fahren, die Straße ist heute morgen noch etwas rutschig....<  

Der Großglockner..., 

dass ist eine Passhöhe von 2506 Metern über dem Meeresspiegel, 

das ist die höchste befestigte  Passstraße in Österreich, 

das ist die Verbindung zwischen den Bundesländern Salzburg und Kärnten 

Aber in erster Linie ist der Großglockner auf ca. 50 Kilometern Asphalt mit unzähligen Kurven und Kehren Fahrspaß pur! Die einzige Sorge ist, ob man das Grinsen im Gesicht jemals wieder los wird oder ein Chirurg Hand anlegen muss.   

So nutzen wir das für einen Tag gültige Maut Ticket ausgiebig aus und es ist schon später Nachmittag, als wir uns über den Talort Heiligenblut vom Großglockner verabschieden. 

Ein paar Kilometer sollen es heute noch sein. Die letzte Etappe des Tages liegt in Pullach. Übrigens mal wieder im strömenden Regen. Aber egal, Hauptsache auf dem Großglockner hat das Wetter mitgespielt. Unserem Vorsatz, keine Autobahn zu benutzen bleiben wir immer noch treu.  Vom BND in Pullach übrigens keine Spur. Als wir im Hotel nachfragen, bekommen wir die Antwort, dass der Bundesnachrichtendienst in einem anderen Pullach untergebracht ist. Ja nee, ist klar...Aber bevor noch jemand auf dumme Gedanken kommt, geben wir uns mit der Antwort zufrieden und beschäftigen uns lieber mit der Planung des Abendessens... 

Der nächste Morgen begrüßt uns für die Heimfahrt mit strahlendem Sonnenschein. Dabei passt das schöne Wetter so gar nicht zum letzten Besichtigungsstopp, bevor wir uns auf den Heimweg über Land- und Bundesstraßen in das Rhein-Main Gebiet machen wollen. 

-Die KZ Gedenkstätte Dachau - 

Dachau war das erste von den Nationalsozialisten errichtete Konzentrationslager. Es bestand vom 22.März 1933 bis zur seiner Befreiung durch US-Amerikanische Truppen am 29.04.1945.  Von den mindestens 200.000 Insassen starben 41.500. Die heutige Gedenkstätte wird pro Jahr von ca. 800.000 Menschen aus aller Welt besucht. Mit sehr gemischten Gefühlen betreten wir den Lagerbereich. Originalgetreu nachgebaute Baracken geben ein Vorstellung über das Leben im Lager. Insofern man sich so etwas unfassbares überhaupt vorstellen kann. Eine weitläufige Ausstellung versorgt den interessierten Besucher mir einer Vielzahl von Informationen über all das Grauen, dass sich hier in 12 Jahren abgespielt hat. Auf den Besuch der Verbrennungsöfen verzichten wir...Für einen Tag reicht uns die Konfrontation mit jüngster deutscher Geschichte. 

So setzten wir die Heimfahrt über hunderte Kilometer Landstraße fort. Im Gepäck viel Spaß am Motorrad fahren und durch unseren Geschichtsausflug auch mit viel Stoff zum Nachdenken... 

http://motorradwanderer.jimdo.com/


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