LGKS - Die Ligurische Grenzkammstrasse. Das Netz aus ehemaligen Militärstrassen diente zwischen den Weltkriegen zur Versorgung der Höhenforts, die größtenteils in der Zeit von 1880 bis 1940 erbaut wurden. Die Hochalpine Kammstrasse verläuft mit ihren rund 63 befahrbaren Kilometern unbefestigter Wege im Grenzgebiet zwischen Italien und Frankreich, und verläuft überwiegend auf über 2000m Höhe. Die anspruchsvollen Strecken gehören zu den 10 interessantesten Zielen für Endurofahrer in Europa. Mit der LGKS habe ich mir einen kleinen Traum erfüllt. Kurz gesagt: Es war geil! Auch wenn ich keine wirklichen Erwartungen an diesen Trip hatte, so war es doch ganz anders, als ich es mir durch Berichte, Fotos und Videos vorgestellt hatte. Anders, als alles was ich bisher gefahren habe. Und ich würde die fast 1300 Kilometer lange Anfahrt jederzeit wieder in Kauf nehmen.


Land / Region:
Italien und Frankreich / Hochalpine Seealpen

Charakter:
von einfach zu befahrenden Waldwegen, über grob geschotterte bis sehr steinige, enge Pisten

Länge:
die länge unbefestiger Wege der reinen LGKS beträgt rund 63 km

Reisezeit:
Juli - September. in der übrigen Zeit liegt oft noch Schnee



LGKS Ligurische Grenzkammstraße - ein Betriebsausflug

 

In Mitten der laufenden Saison verdrücken wir uns ganz frech für ein paar Tage. Wir, das sind Murmel, André und ich (Maik), nehmen die legendäre LGKS, die ligurische Grenzkammstraße, unter die Stollen. Mit unserem Service-Fahrzeug, gepackt mit der Ausrüstung, und dem Anhänger mit den drei Bikes beladen, fahren wir am Donnerstag, 4. August, von Braunschweig nach Tende in Südfrankreich. In der Nähe werden wir uns einen Campingplatz suchen, und dort unser Basislager aufschlagen...

Und weil nur KEIN Plan ein guter Plan ist, lassen wir alles andere einfach auf uns zukommen.

 

Dienstag, 26. Juli:

Bei unserer Abschlussbesprechung am vergangenen Wochenende der Schock: André ist krank! Er muss ins Krankenhaus und sich einer Operation unterziehen. Seine Teilnahme ist fraglich!

 

Montag, 1. August:

Die OP ist gut verlaufen und André ist bereits wieder zu Hause. Aber es steht fest, dass er nicht fahren kann! Die Enttäuschung ist bei allen sehr groß. Murmel und ich überlegen die Tour komplett zu canceln.

 

Dienstag, 2. August:

Wir haben uns entschieden, auch ohne André den Trip zu machen. Ganz leicht ist uns das nicht gefallen. André wird bei der Tour fehlen. Die Motorräder bekommen neue Reifen und Schläuche und einen „großen Service“. Ich bemerke, dass meine Ténéré keinen TÜV mehr hat.

 

Mittwoch, 3. August:

TÜV-Termin mit der Ténéré. Einzig das Lampengitter bereitet dem Prüfer Sorgen. Als ich anbiete es fix zu demontieren, beschließt er „das Lampengitter ist doch original“. Die HU ist also ohne Mängel. Ich berichte Murmel, der offensichtlich SEHR erleichtert ist.

 

Donnerstag 4. August:

Wir laden die Moppeds auf. Kurzer check am Anhänger: Licht - geht. Bremslicht - geht. Blinker: geht, geht nicht, geht... Die Ausrüstungskiste ist gepackt. Noch ein paar Kleinigkeiten einkaufen, schnell noch einmal zum Friseur...

Gegen 18 Uhr verabschiede ich mich von meiner Frau und unserer Tochter. Die Ausrüstungskiste steht auf der Ladefläche meines 4x4  Pick Up, ich mache mich auf den Weg zu Murmel. Sein Subaru, der uns als Zugfahrzeug dienen wird, ist bereit, der Anhänger mit den Motorrädern beladen. Noch mein Equipment verladen, und auf geht’s zu André. Der Abschied geht uns allen nahe. Dass André diesen Trip nicht mitfahren kann ist ein wirklicher Verlust. Er wünscht uns viel Spaß und alles Gute. Wir wissen, André wird bei diesem Projekt fehlen.

Um 21 Uhr brechen wir auf zur LGKS.

Die 1282 Kilometer nach Tende reißen wir ohne nennenswerte Pausen ab.

 

Freitag, 5. August:

Rund 19 Stunden nach der Abfahrt rollen wir Murmels BMW F800 GS und meine Yamaha XTZ 660 Ténéré vom Anhänger. Unser Basislager für die nächsten Tage ist der Campingplatz Municipal Saint Jacques an der Route de la Pia am Stadtrand von Tende. Wir richten das Biwak ein, trinken noch ein paar Espressi, und beenden den Tag. Das Flüsschen Roya verläuft geräuschvoll entlang des Biwaks und raubt mir für diese Nacht den Schlaf.

 

Samstag, 6. August:

Als ich mich gegen 8 Uhr aus dem Zelt schäle, humpelt Murmel frisch geduscht ins Biwak. Die lange Anfahrt im Subaru war Gift für seine Gelenke, also beschließen wir, es für heute ruhig angehen zu lassen.

Nach dem Frühstück – Müsliriegel und Espresso – geht es auf die Bikes. Die nur 2,5 Kilometer ins mittelalterliche Städtchen La Brigue bereiten Freude. Nach der endlos erscheinenden Fahrt im Auto tut es gut, die Motorräder zu bewegen. In Richtung Val del Prat führt uns der Weg vorbei an der stattlichen Kirche und dem Zentrum. Das chaotische Treiben in den engen Straßen und Gassen erinnert mich an meine Touren im Norden Afrikas.

Auf einer einspurigen, geteerten Straße steht am rechten Abzweig ein Schild mit der Aufschrift „NUR FÜR 4x4 FAHRZEUGE!“ Hier beginnt der Saorge Stich. Mit einer Länge von nur 14 Kilometer ist das ein guter Anfang. Auf dem schmalen Weg, dessen Teerdecke stark beschädigt und stellenweise Grasbewachsen ist, biegen wir nach etwa 2,4 Kilometer rechts ab in Richtung Baisse de Peluna. Am Ende dieses Stichs versperrt uns ein verschlossenes Gatter den Weg. Hier bemerke ich, dass meine Kamera, eine ATC 5K von Oregon, nicht mehr im Halter am linken Sturzbügel meiner Ténéré steckt. Kommando: zurück! Wir haben die Cam nicht wieder finden können. Vermutlich ist die Halterung gebrochen, und die Kamera ist einen Abhang herunter gefallen. Mist! Viele Fahraufnahmen wird es von diesem Trip also nicht geben.

Wir fahren zurück zum Ausgangspunkt und weiter nach Süden in Richtung Baisse de D’apese. Die schmale, gut zu befahrende  Schotterpiste zum Baisse de Lugo verwöhnt uns mit traumhaftem Ausblick auf die Region. Wieder im Biwak angekommen, gibt es den „kleinen Service“ für die Motorräder, bevor wir den Gaskocher anwerfen.

 

Sonntag, 7. August:

Früh sitzen wir auf den Bikes. Der Himmel ist Wolken verhangen, aber der Regen der Nacht hat aufgehört. Erstes Etappenziel ist die alte Passstraße zum Col de Tende. Diese zweigt unmittelbar vor dem Tunnel de Tende links ab. 48 Kehren, etwa 30 davon auf unbefestigtem Boden, führen uns auf 1871 Meter. Am Fort Central auf 1908 Meter treffen wir drei Super Ténéré-Fahrer. Ein kurzer Plausch über aktuelle Sperrungen und das übliche „woher und wohin“ folgt. Wir fahren weiter zum 1883 erbauten Fort de la Marguerie (1842 Meter). Hier nehmen wir eine wunderschöne Schotterpiste unter die Stollen. Diese führt uns zum Baisse de Peyrefique auf 2040 Meter, wo wir den rechten Abzweig in Richtung Casterino nehmen.

Auf 1543 Meter biegen wir links ab, zurück zum Baisse de Peyrefique. Dieser Abstecher hat es in sich. Mit einer Steigung von bis zu 25 Prozent windet sich die Piste auf scheinbar unzähligen, sehr engen Kehren. Der Untergrund ist weit mehr als „nur“ steinig. Die uralte, zerfallene Straße ist durchzogen mit dicken Wurzeln und übersät mit Steinen in den Größen Tennisball bis Fußball. Für ungeübte Enduristen ist dieser Abstecher nichts. Der „Denzel“ rät sogar ganz davon ab diese „Straße“ zu befahren!

Endlich am vorläufigen Ziel angekommen, führt uns eine Kammstraße in Richtung Baisse de’Ourne bis auf 2040 Meter. Der Ausblick ist der verdiente Lohn für die Strapazen der zuvor erklommenen Steinpiste. Von hier aus windet sich der gut befahrbare Waldweg den Hang hinab und endet erst am Stadtrand von Tende auf etwa 750 Metern.

Ausgelaugt aber glücklich halten wir am Café La Merenda im Zentrum von Tende. Ich bestelle Espresso, Café au Lait und Cola, während Murmel im kleinen Supermarkt gegenüber das Abendessen jagen geht. Bei unserer Ankunft im Biwak beginnt es erneut zu regnen. Wir beenden den Abend mit köstlichem Essen und Espresso. Der Service an den Moppeds wir auf morgen verschoben.

 

Montag, 8. August:

Heute steht die nördliche LGKS auf dem Plan. Während der Nacht hat es anständig geregnet. Am Morgen klart der Himmel aber pünktlich zu unserer Abfahrt auf. Wir fahren von Tende nach La Brigue, vorbei an der wunderschönen romanischen Brücke Le pont du Coq. An einer Gabelung halten wir uns rechts in Richtung Sixtinische Kapelle Notre Dame des Fortaines. Der rund 7,5 Kilometer lange Waldweg in Richtung Col Lanaire mit einer Steigung von bis zu 15 Prozent ist teils geschottert, teils lehmig, und durch den starken Regen der vergangenen Nacht verdammt rutschig.

Als uns ein 40-Tonner Langholz-LKW entgegen kommt, wird es eng. Die Überraschung ist groß, als ein paar Kehren weiter oben eine Caterpillar Walze steht. Diese sorgt offenbar dafür, dass die lehmige Piste für die LKW befahrbar bleibt.

Von Col Linaire (1432 Meter), vier Kilometer in Richtung Col Sanson, zweigt links ein Forstweg ab der am Scheitel auf einer Querpiste mündet, auf die wir nach links in Richtung Monesi und Triora abbiegen. Jetzt sind wir auf der Ligurischen Grenzkammstrasse.

Auf 1694 Meter erreichen wir Basse de Sanson, kreuzen eine Warntafel (20 km/h, 3,5 t) und befahren den steinigen Waldweg in Richtung Pas du Ardente. Dieser mündet bei Passo di Collardente wiederum auf einen Querweg. Wir halten uns links zum Pas du Tanarel. Auf der sehr grob geschotterten Piste erreichen wir eine Höhe von 2045 Metern.

Wir machen einen Abstecher nach Süden auf den Gipfel des Mont Saccarel (2200 Meter) mit den Überresten eines Forts, auf die holprige Stichstraße zur 12 Meter hohen, eisernen Statue Il Redentore auf 2164 Metern aus dem Jahr 1901. Der Himmel ist so klar, dass wir in der Ferne das Mittelmeer sehen können. Durch eine baumlose Landschaft führt uns der steinige Weg auf 2099 Meter zum Coll dell Vecchie.

Der folgende Weg zum Colle dei Signori (2111 Meter) ist stark beschädigt. Das Befahren der Felstreppen gleicht einer Trailpassage. Hier treffen wir Martin aus München. Wenn er die etwa sechs Kilometer entfernte offizielle Sperrung der LGKS mit seinem 1960er Unimog nicht passieren kann, müsste er den extrem schmalen Weg im Rückwärtsgang zurück zur letzten Möglichkeit den Unimog zu wenden. Wir tauschen Handynummern aus und versprechen, ihn bei unserer Ankunft an der Sperrung zu informieren.

Der Untergrund wird zunehmend schlechter. Zwar ist der steile Abgrund nicht mehr direkt am Wegesrand, doch die Steigung der Piste nimmt weiter zu. An der Schranke angekommen schicken wir eine SMS an Martin: Zwecklos, kein Durchkommen! Prompt kommt die Antwort. Martin bedankt sich und wünscht uns Glück für die Passage, vor der wir mit „mit euren Dickschiffen nicht mehr fahrbar“ so oft und eindringlich gewarnt wurden. Wenn wir jetzt umkehren, befahren wir die zurückgelegten rund 60 Kilometer mit sehr schwierigen Abschnitten noch einmal bei umgekehrtem Höhenprofil. Weiter über Fort Central nach Tende ist der Weg nur halb so lang.

Meine Ténéré, die in diesen Höhen ab 4000 1/min etwas unwillig Gas annimmt, schafft die kurze aber tiefe Senke mit anschließendem Steilanstieg gut. Bei der Auffahrt steigt das Vorderrad, aber ich bekomme die Fuhre sicher auf die andere Seite der Absperrung. Nervös würgt Murmel seinen Zwei-Zylinder vor der Anfahrt ab. Ein neuer Versuch: in der Senke stirbt die F800 unvermittelt ab. Während ich am Heck schiebe, versuche ich das Hinterrad durch starkes Ziehen an den Kofferträger am Verlassen der schmalen Piste zu hindern. Nur wenige Zentimeter trennen uns vom Abgrund. Mit vereinten Kräften bekommen wir die BMW den weniger als einen Meter schmalen Anstieg hinauf. Ich bin erledigt! Und wir wissen noch nicht, was uns auf der bevorstehenden Etappe erwartet. Die folgenden zehn Kilometer sind sehr anspruchsvoll zu fahren, toppen den Schwierigkeitsgrad der zuvor gefahrenen aber nicht.

Die Schranke am Ende der Sperrung ist geöffnet, aber eine Warntafel untersagt das Befahren. Unsere Erfahrung: Verhält man sich als Endurist oder Mountainbiker vernünftig und vor allem rücksichtsvoll, hat man von offizieller Seite keine Schwierigkeiten wegen der umfahrenen Sperrung zu erwarten.

Kurz darauf erreichen wir erschöpft aber glücklich das Fort Central. Hier machen wir eine längere Pause und genießen den Augenblick fast vollkommenerer Stille. Wir haben es geschafft. Die schon bekannte, kurvenreiche Etappe vom Fort zurück nach Tende fahren wir zügig und genießen die zahlreichen, engen Kehren. Am Place de Tende halten wir, trinken im La Merenda Kaffee, und lassen das Erlebte Revue passieren.

Zurück auf dem Campingplatz entdecken wir unseren Zelten gegenüber zwei neue Gesichter. Gesche und Stefan aus Stuttgart haben ihre Motorräder, eine DRZ 400 und eine Beta Alp 4.0, wie wir, auf dem Anhänger nach Tende gebracht. „Stollenreiter Braunschweig“ ist Stefan bereits ein Begriff. Bei einem Bier am Abend reden wir lange über Erlebtes und geplante Etappen.

 

Dienstag, 9. August:

Als die Wolkendecke über Tende aufbricht, sitzen wir auf den Bikes. Die südliche LGKS soll heute befahren werden. Bis zur Querpiste am Ende des Forstweges zum Col Sanson ist die Etappe mit der nördlichen LGKS identisch. An der Querung biegen wir dann aber rechts in Richtung Colle Melosa ab. Auf dem Weg dorthin, hinter der Kapelle Notre Dame des Fortaines, stürzt Murmel. In einer steinigen, engen Kehre geht sein Vorderrad über einen dicken Stein. Um die Fuhre mit einem beherzten Zug am Gas zu stabilisieren, ist die Kehre zu eng. Gemeinsam bringen wir die F800 zurück auf die Stollenräder. Fahrer und Fahrzeug scheinen okay zu sein. Also weiter…

Die Piste geht bei grandioser Aussicht knapp unterhalb des Kamms entlang. Am folgenden Abzweig halten wir uns rechts, zur Cime de Marta vorbei an Bunkern und Stellungen zum Gipfel de Marta (2136 Meter). Auf den Talwärts führenden, engen Kehren vom Col Bertrand zum Colla Melosa ist die Piste recht anspruchsvoll, grob und tief geschottert. Stellenweise erschweren große Steine aus Abbrüchen der Felswand das Vorankommen. Auf etwa der Hälfte dieser Etappe entdecken wir den Eingang zu einem alten Stollen. Ich fahre meine Ténéré etwa eine halbe Fahrzeuglänge hinein. Selbst das Fernlicht wird komplett vom endlosen Schwarz des Stollens geschluckt. Zu Fuß gehen wir einige Meter weiter ins Innere, um zu erkunden, ob wir hier hineinfahren können. Schnell steht Murmel knöcheltief im eiskalten Wasser. Wir beschließen die Fahrt unter freiem Himmel fort zu setzen.

Bei der nächsten Pause oberhalb eines großen Bergsees entdecken wir am Horizont das Mittelmeer. Ein überwältigender Ausblick! Hier bemerke ich, dass ich die am Heck der Yamaha in einem Stoffbeutel verstauten Ersatzschläuche für beide Motorräder verloren habe. Würden wir uns jetzt einen Platten fahren, wäre flicken angesagt. Doch das ist nicht unser Hauptproblem.

Wir fahren weiter zum Colle Melosa, auf der Traum-Piste hinab auf 1540 Meter. Auf dem Parkplatz am Ende der Schotterpiste legen wir eine weitere Pause ein. Murmel nimmt Schmerzmittel ein. Ich rate zum Abbrechen, denn das Risiko hier oben ist zu groß. Da die nächste Etappe auf Asphalt verläuft, gebe ich mich vorerst geschlagen. Wir fahren weiter. Die schadhafte Teerdecke der SP 67 führt uns hinab auf 1130 Meter über Colla di Langan zum Abzweig auf die SP 65 nach Pigna. Für mich ist das das Asphalt-Highlight des Tages mit unzähligen, engen Kehren durch Olivenhaine, vorbei weinbewachsenen Hängen. Während der Pause in Pigna besprechen wir das weitere Vorgehen. Aufgrund der Schmerzen ist Murmel sichtlich unkonzentriert. Wir beschließen, den zweiten Offroadanteil der südlichen LGKS nicht zu befahren.

Über Perinaldi und Bevino fahren wir die knapp 40 Kilometer nach Sanremo an die Mittelmeerküste. Nach ein paar Fotos und einer kurzen Zigarettenpause geht’s zurück nach Tende.

Murmel verschwindet frustriert gegen 22 Uhr im Zelt. Gesche, Stefan und ich sitzen bei guten Gesprächen, französischem Bier und orientalischer Shisha vor meinem Zelt. Gegen Mitternacht verabschiedet sich auch Gesche. Stefan und ich reden weiter bei mehreren Absacker-Bieren, bis wir bei nur 8 Grad gegen 2 Uhr morgens in unseren Zelten verschwinden.

 

Bei den vielen, angenehmen Begegnungen, die man auf einer solchen Reise macht, ist das Paar aus Stuttgart eine der Bekanntschaften, von der ich hoffe, dass der Campingplatz Municipal Saint Jacques nicht unser letzter Treffpunkt war.

 

 

Mittwoch, 10. August:

Bereits um 6.50 Uhr (!) rüttelt Murmel ungeduldig an meinem Zelt. Er will schnell los. Mit Mordgedanken stoße ich ein paar Flüche aus, drehe mich um, und versuche weiter zu schlafen. Keine Chance, ich bin wach, er hat es geschafft! Ich nehme einen Kaffee und versuche mir die Ruhe nicht nehmen zu lassen. Auch im Zelt gegenüber tut sich etwas. Verschlafen steckt Gesche ihren Kopf aus dem Zelt. Erst als sie den Kaffee fertig hat, kommt auch Stefan aus der Behausung geklettert.

Mein Equipment ist inzwischen im Forester verstaut, wir könnten aufbrechen. Doch ich will mich anständig von Gesche und Stefan verabschieden. Es folgt erneut ein nettes Gespräch, eine Tasse Kaffee und ein paar Zigaretten. Gut eine Stunde später rollt unser Gespann vom Campingplatz.

Wir kommen zügig voran, gegen 15.30 Uhr verlassen wir vorläufig die A2 bei Ballizoma Süd (Schweiz). Die Marché-Raststätte ist auffallend ordentlich, sauber und gepflegt, das Speisenangebot reich und frisch. Ohne die Preise wirklich zu beachten entscheiden wir uns für Cordon Bleu mit Pommes und Salat. Dazu nehmen wir zwei kleine Flachen Bottiglia, eine süße Brause.

Die freundliche Kassiererin verlangt lächelnd 66,95. Ich schlucke, und sage: „In Euro, bitte. Nicht in Pesos!“ Ach Euro? Dann sind es bitte 65,70! Guten Appetit.

Vor dem Tunnel Gotthardo verlieren wir eine gute Stunde wegen eines Staus. Es ist fast 23 Uhr als wir Niedereschach erreichen. Die Suche nach einer Unterkunft gestaltet sich schwieriger, als erwartet. Ein Telefonat mit meiner Frau schafft Abhilfe. Am heimischen Laptop findet sie eine Reihe möglicher Unterkünfte.

Wir landen in Baden-Württembergs ältester Stadt, Rottweil. Ein recht luxuriöses Doppelzimmer zu einem stolzen Kurs ist die einzige freie Unterkunft. Wir ziehen noch kurz los auf ein Bierchen. Der Irish Pub „The Harp“ sieht einladend aus. Wir beginnen in der Mitte der Whiskykarte, und trinken uns auf ihr entlang. Dazu ein paar Kilkenny, ein süffiges, irisches Stout-Bier. Schnell entstehen nette Gespräche mit den Einheimischen. Gespannt lauscht Annika, unsere nette Bedienung, den Ausführungen unserer Reise. Erst als das „Harp“ schließt, gehen wir. Der Weg zurück ins Hotel erscheint mir viel länger.

 

Donnerstag, 11. August:

Wir genießen das üppige Frühstück unserer kostspieligen Übernachtungsstätte und checken aus. Der Portier hat unser Gespann mit den Motorrädern entdeckt und hat zahlreichen Fragen zu unserem Trip. Bei Touratech in Niedereschach wird das Euquipment erweitert und defektes ersetzt. Wir halten noch einen kurzen Plausch mit dem freundlichen Touratech-Mitarbeiter über unsere Tour und dann geht es nach Hause.

Gegen 20.30 Uhr biege ich in die kleine Straße, an deren Ende mein Haus steht. Ein unvergleichlicher Trip geht zu Ende. Den Kopf voll mit Eindrücken der vergangenen Tage, freue ich mich auf meine Familie. Nur das nötigste wir abgeladen. Alles anderen kann bis morgen warten.

 

Vorbereitung:

Da wir unsere geführten Enduro-Touren bei Stollenreiter-Braunschweig in der Lüneburger Heide vollkommen durchorganisieren, sind wir vergleichsweise ungeplant, aber nicht planlos in diese Tour gestartet. Einzig unserer Zielort Tende stand im Vorfeld fest. Wir haben den Campingplatz erst vor Ort ausgesucht, keine klaren Routen vorgeplant und auch die Rückreise nicht festgelegt oder organisiert.

Gute Touranregungen haben wir uns in „Offroad-Strecken Ligurien“ von Daniela & Martin Knöpfle (www.mdmot.com) geholt. Der Alpen-Denzel war ebenso hilfreich.

 

Fahrzeuge und Equipment:

Unser Zugfahrzeug war Stephans (Murmels) neuwertiger Subaru Forester 4x4.

Die Motorräder: Murmels 2008er BMW F800 GS, meine 1995er Yamaha XTZ 660 Ténéré. Mit je rund 200 Kilogramm plus Fahrer und Equipment sind das nicht gerade die Leicht-Enduros. Eingepackt haben wir zudem neue Reifen der Marke Metzeler Karoo auf der Ténéré, Karoo (T) auf der BMW und Ersatzschläuche.

Als Ersatzteile, die wir auch bei „normalen“ Offroadtouren mitführen, hatten wir dabei: Brems- und Kupplungshebel, Rep.Satz für Bowdenzüge, Leuchtmittel, Bremsbeläge, Kettenschlösser, Ersatzkupplungszug für die Ténéré (parallel zum eigentlichen bereits verlegt, kann bei Bedarf einfach eingehängt werden), diverse Schrauben und Muttern, Splinte, Kabelbinder, Klebeband selbstverschweißend, Flickzeug, Zündkerzen, Öl

Werkzeuge: umfangreiches Bordwerkzeug und Maul- Ringschlüssel, Inbusschlüssel, Torxschlüssel (BMW), drei Montierhebel und Felgenschoner, diverse Zangen, Seitenschneider, kleiner Kompressor, Kettenreiniger, Kettenspray, WD40

 

Die Motorräder sollten sich in gutem technischem Zustand befinden. Insbesondere die Bremsen sollten absolut zuverlässig arbeiten. Die Kupplung leidet unter Umständen bei sehr steilen Passagen enorm. Gegebenenfalls sollten die Beläge vor der LGKS erneuert werden.

Die Campingausrüstung sollte solide, der Schlafsack warm genug sein. In den Bergen ist es oft sehr windig, und die Temperaturen sinken nachts sehr weit ab.

Gute Schutzausrüstung ist Pflicht! Kommt es auf den steinigen Pisten zu einem Sturz, kann der harte und unebene Untergrund schnell unangenehme Verletzungen verursachen. Für die Kommunikation von Bike zu Bike nutzen wir das Midland G7 Biker Set. Funkhandys, die auf LPD und PMR senden und empfangen.

 

Land und Leute

Während die Italiener allgemein sehr offen und kommunikativ sind (in den Bergen hält ein entgegenkommender Endurist fast sicher an, um ein kurzes Gespräch zu führen), vermittelte mir die Mehrheit der Franzosen den Eindruck, als hätten sie "Fremde" nicht so richtig gern...

 

Resümee

Mit der LGKS habe ich mir einen kleinen Traum erfüllt. Kurz gesagt: Es war geil! Auch wenn ich keine wirklichen Erwartungen an diesen Trip hatte, so war es doch ganz anders, als ich es mir durch Berichte, Fotos und Videos vorgestellt hatte. Anders, als alles was ich bisher gefahren habe. Und ich würde die fast 1300 Kilometer lange Anfahrt jederzeit wieder in Kauf nehmen.

Mit einer kleinen, leistungsstarken Sportenduro ist das sicher noch eine andere Nummer. Jedoch hat der Trip mit meiner fast 200 Kilogramm schweren Ténéré, die ich auch sonst als „Alltagsmotorrad“ und bei unseren Enduro-Touren in der Lüneburger Heide als Guide nutze, einen besonderen Reiz.

Drei Personen halte ich für die ideale Gruppengröße. Offroaderfahrung sollte jeder haben. Ganz wichtig ist eine geübte, weite Blickführung. Wer diese nicht beherrscht, wird sie auf den schmalen „Straßen“ mit den zum Teil sehr engen Kehren erlernen, oder scheitern.

Alle Routen, Orts, und Höhenangaben haben wir abends im Biwak  aus dem Gedächtnis zu Papier gebracht. Es besteht also keinerlei Anspruch auch Richtigkeit und Vollständigkeit!

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