Den Osten erfahren - das Erzgebirge und seine Schönheiten


Land / Region:
Deutschland / Erzgebirge

Charakter:
Landstraßen

Länge:
500

Reisezeit:
Sommer



Den Osten "erfahren"? Was will uns das sagen? Bereits der Titel des Bildungsurlaubs, angeboten durch das Internationale Bildungs- und Begegnungswerk (IBB) mit Sitz in Dortmund klingt doppeldeutig. Eine Motorradtour sollte es sein, durchgeführt im Erzgebirge, vom Niederrhein tatsächlich tiefer Osten und "Terra incognita" für den Autor. In der Regel nur der älteren Generation als "Tal der Ahnungslosen" in der ehemaligen DDR bekannt, da hier der Empfang des Westfernsehens nur schwer möglich war.

Nun denn, neues entdecken hat immer seine Reize, ein Platz war noch frei, die Anmeldung getätigt, die Zustimmung des Arbeitgebers eingeholt (es handelt sich immerhin um Bildungsurlaub nach dem Bildungsgesetz NRW) und am 25.08.2013 erfolgte der Start mit der Maschine nach Osten.

Die Anfahrt ist nicht besonders spannend. Sie führt durch NRW nach Thüringen, Sachsen-Anhalt (Das Land der Frühaufsteher) und schließlich nach Sachsen. Bei Chemnitz wurde die Autobahn verlassen und der Weg zum Hotel in Annaberg-Buchholz eingeschlagen. Das Städtchen selbst lebt vom Tourismus, speziell Klöppeln ist hier noch eine ausgeprägte Kunst, uns nur bekannt aus den Niederlanden und Belgien.

Der Wirt des Hotels, ein gebürtiger Sachse, kennt sich mit Motorradgästen aus und beherbergt diese mit speziellen angeboten.

Der Tourenguide des IBB führt die Fahrten bereits seit 10 Jahren durch und hat gute Kontakte zu den Gesprächspartnern aufgebaut.

Montag, 26.08.2013
Am Montag ist dann Start des Programms mit dem Besuch des Raumfahrtmuseums in Morgenröthe-Rautenkranz. Der tag unseres Besuches (26.08.2013) ist gleichzeitig der 35. Jahrestag des ersten Raumfluges eines deutschen Kosmonauten, Siegmund Jähn. Somit ist natürlich auch das Fernsehen anwesend und interviewt einzelne Teilnehmer unserer Gruppe. Das Museum wurde mit EU renoviert und erlaubt nun einen Einblick in die Raumfahrtgeschichte sowohl was die russische Geschichte betrifft, wie auch die amerikanische. Die Museumsführerin erweist sich als kompetent und engagiert. Ein Besuch lohnt allemal.

Der Nachmittag ist einem Besuch in Chemnitz vorbehalten. Die frühere Karl-Marx-Stadt hat wie viele Städte von der Wende profitiert. Die öden Innenstädte wurden von den Beiträgen aus den alten Bundesländern aufgebaut und belebt. Die DDR Stadtplaner verfolgten seinerzeit das gegenteilige Konzept: Innenstädte nicht pflegen, Verlegung des Lebens in die Randbezirke mit Plattenbauten und Konsum.
Geblieben ist ein riesiger Kopf von Karl Marx, der alle Stürme der Zeit überstanden hat.

Nicht schön, aber die Chemnitzer scheinen an ihm zu hängen. Vielleicht als Mahnung an die alten Zeiten.

Stadtführung mit professioneller Leitung, als Teil des Bildungsurlaubs, um die Geschichte zu verstehen. Chemnitz war zu 80% nach dem Krieg zerstört, eine Altstadt nicht mehrt existent und der real existierende Sozialmus erledigte die letzte Stadtatmosphäre. Heute versucht man dem Ganzen wieder Leben einzuhauchen - aber trotz vieler Solibeiträge ist der Weg noch lang.

Dienstag, 27.08.2013
Neben den Städten hat die Industrie in den diesem Landstrich Probleme sich zu etablieren. Ein Besuch in der ehemaligen Motorradschmiede von MZ in Zschopau zeigt dieses Beispiel. Von der Treuhand abgewickelt ist dieser Betrieb heute nicht mehr existent. Das große Fabrikgebäude steht noch, aber was befindet sich darin: Ein Tatoo-Laden, eine Bowling Bahn und zur Ehrenrettung im Parterre ein Shop von KTM. Betrieben von einem Herrn Sturm, der mit einem Herrn Winter versuchte MZ neu zu beleben. Heute sind die Herren zerstritten und jeder betreibt sein eigenes Geschäft, wobei Herr Winter mittlerweile mit seinen Elektrorollern insolvent ist, die Namensrechte für MZ aber besitzt. Sein Ex-Kumpel betreibt besagten KTM Laden mit Erfolg. Überhaupt ist das Erzgebirge Enduro Land. Nach Aussage des ehemaligen Betriebsratsmitglieds von MZ sind in der näheren Umgebung diverse Clubs, die sich am Wochenende die Zeit im Gelände mit ihren Maschinen vertreiben.

Das ehemalige Mitglied des Betriebsrates hinterlässt einen guten Eindruck und kann viel über den Zeitpunkt der Wende und den damit verbundenen Veränderungen berichten. Z. B. das die Treuhand, die seinerzeit alle Betriebe der ehemaligen DDR verwaltete anscheinend keine großes Interesse daran hatte MZ mit neuen Ideen auf dem Markt überleben zu lassen. Ebenso wurden seinerzeit Hermes Bürgschaften, trotz großen Einsatzes der damaligen Belegschaft, mit Protesten bis nach Dresden, nicht bewilligt.

Am Nachmittag besuchen wir Annaberg-Buchholz einen Besuch ab. Die Kreisstadt im Erzgebirge erfreut sich eines besonderen Museums. Die Tochter des WELLA Fabrikanten wurde hier geboren und hat der Stadt aus Dankbarkeit ein Museum mit erzgebirgischer Volkskunst geschenkt. Die Führung wurde begleitet. Vorher erhielten wir eine Stadtführung mit Erläuterungen zum ehemaligen Abbau von Silber in dere Region.

Mittwoch, 28.08.2013
Am Morgen verlassen wir unser Hotel und danken dem lustigen Wirt für seine gute Küche und den angenehmen Aufenthalt.
Den Abend werden wir in einem Hotel im Kirnitztal verbringen.

Erstmal steht aber Bildung auf dem Programm, wie es sich für einen Bildungsurlaub gehört, der 6 Stunden Bildung pro Tag anbieten muss.

Angefahren wird am Morgen eine bekannte Stadt für die Uhrenmanufaktur- Glashütte.
Der Name steht für edles und teures. Wir haben die Möglichkeit die Manufaktur Mühle zu besuchen und einen Blick in die Produktion zu werfen. Oberstes Gebot hier ist Ruhe und Gelassenheit. Die Gegenstände mit denen hier hantiert wird sind teilweise unter 1mm groß. Alle Uhren sind mechanisch, für den Endverbraucher mit dem kleinen Geldbeutel als Quarzuhr. Wir haben dieMöglichkeit den Mitarbeiter/innen über die Schulter zu schauen und dem Zusammenbau der etwas teuren Uhren zu verfolgen. Wer eine Uhr haben möchte, sollte schon einige tausend Euro kalkulieren, Werbegeschenke gab es für uns nicht. Eine Besonderheit der Manufaktur Mühle ist, dass sie Uhrenausrüster für die AIDA Flotte der Maier Werft ist. Schiffsuhren sind etwas besonderes, da sie auf einem Schiff alle über eine sogenannte Mutteruhr gesteuert werden. Somit ist es wichtig die Verkabelung zu beachten.

Glashütte bietet natürlich ein hervorragendes Uhrenmuseum, dessen Besuch ein Pflichtteil jedes Besuchs ist. In der Eingangshalle steht ein Unikat, gebaut in den zwanzigern des letzten Jahrhunderts, dass exakt die Mondzeiten für den Ort zeigt und einen Kalender hat, der die Schaltjahre berücksichtigt. Alles mechanisch!

Das Wetter ist ganze Woche schon und gut und es sei hier verraten: Es blieb bis zum Schluss so.

Wir cruisen weiter nach Pirna an der Elbe ein vom Hochwasser gebeutelte Stadt und treffen auf einen jungen Planer, der uns die Probleme einer Stadt im Erzgebirge schildert und uns speziell zum Hochwasserschutz Informationen gibt. Interessant ist, dass nicht nur der Hochwasserschutz das Thema ist, sondern, dass das Hochwassergedächtnis der Politik maximal 3 Jahre hält und dann das Thema wieder verschwindet, da nicht besonders populär und teuer. Es geht eher nach dem Motto: Ein Jahrhunderthochwasser kommt nur einmal! Bei Wiederholungen hofft der Politiker seine Mission erfüllt zu haben und nicht mehr im Amt zu sein.

Das neue Hotel liegt im idyllischen Kirnitztal. Hier scheint die Welt noch in Ordnung zu sein. Ruhe kehrt bei allen Mitfahrer/innen ein, was kein Wunder ist, da Handynetz und Internet wegfallen - kein Netz in dem engen Tal.

Donnerstag, 29.08.2013
Die Tour durch das idyllische Erzgebirge führ uns heute nach Wismut. Ein eher dunkles Kapitel der ehemaligen DDR. Hier wurde Uran abgebaut in tiefen Bergwerk. Die Gruben sind heute aufgegeben, müssen aber noch „ordentlich“ abgestellt. werden. D. h. das Grundwasser muss über Jahrzehnte hinweg gereinigt werden. Die geschieht in großen Anlagen, wie uns der führenden Chemiker bei einem Rundgang erklärt. Der Mann war bereits zu DDR hier aktiv und kennt das Werk wie seine Westentasche. Ein tiefer blick in die ehemalige DDR eröffnet sich uns. Nach soviel Kultur steht natürlich wieder eine tour auf dem Programm und wir unternehmen mit Tourguide Klaus einen Ausflug manch Tschechien. Die Fahr dahin geht mitten durch das schöne Erzgebirge mit seinen gut ausgebauten Landstraßen und der „Wessi“ kann sehen, wo sein Solidaritätsbeitrag geblieben ist. Tschechien ist direkt ärmer, erkennbar an der Gestaltung der Häuser und den Auslagen in den Geschäften, dafür etwas preiswerte im Benzin.
Wir drehen eine Runde und finden uns gegen 19.00h im Tal der Ahnungslosen ein. Ohne Netz hat auch Vorteile: Die Kommunikation wird direkter und nicht unterbrochen durch SMS oder Mails.

Freitag, 30.08.2013
Ein letzter Bildungstag mit mit abschließenden Highlights. Der Besuch des Reifenwerks Heidenau steht auf dem Programm und abschließend ein Besuch der Bastei in der Nähe von Dresden.
Heidenau liegt südlich von Dresden und wir quälen uns durch den morgendlichen Berufsverkehr.

Das Werk selbst ist die letzte überlebende Produktionsstätte der ehemaligen diverse Werke umfassende Gummi Herstellung in der DDR. Das Werk hat sich durch den Wechsel gekämpft und produziert heuten Reifen für alle Motorräder. Auf Wunsch werden kleine Stückzahlen aufgelegt, um auch die Trabi-Gemeinde noch bedienen zu können. Der junge Manager ist ein sehr reger Vertriebler und führt uns durch das Werk mit allen Abläufen der Produktion. Es rieht überall nach Gummi und die Produktion läuft nach Angaben des Mitarbeiters auf Hochtouren. Tourguide Klaus hatte im letzten Jahr die Chance der Führung genutzt und sich in der Zeit Reifen montieren lassen. Die ist normalerweise nicht möglich, aber nach Absprache scheint so was zu gehen. Das Klima hier ist eben noch etwas anders.

Strahlender Sonnenschein begleitet uns dann zu letzten Punkt unserer Reise. In der Nähe von Dresden besuchen wir die sogenannte Bastei. Ein hoch über der Elbe gelegenes Restaurant. Ehemals eine Burg, von der man das Elbtal gut kontrollieren konnte. Mit einem wunderschönen Blick über die Elbe verabschieden wir uns aus dem Erzgebirge.

Am Samstag geht es für alle wieder Richtung Heimat und vielleicht in 2014 zur nächsten Tour, da vom IBB immer 3 Touren angeboten werden.

Fazit
„Den Osten erfahren“ lohnt sich in seiner Doppeldeutigkeit allemal. Das ruhige, entspannte Cruisen mit seinen geschichtlichen Highlights ist eine Reise wert!


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