Tag 1:
Im Mai ist es um 04:00 Uhr morgens noch recht kühl im Taunus. Doch die Vorfreude auf 5 Tage Motorrad fahren in Südengland drängt die Temperatur in den Hintergrund. Ein letzter Check, ob Navi und Gepäck richtig befestigt sind und die Reise kann beginnen.
Auf den ersten Kilometern Richtung Calais
Land / Region: Großbritannien / Südengland Charakter: Straße Länge: 3.500 Reisezeit: April - Oktober |
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... kehren meine Gedanken immer wieder zu einem Thema zurück: Wie wird das Fahren auf der „verkehrten“ Straßenseite? Ich habe keine Erfahrung mit Linksverkehr. Wie wird es werden, sich nicht nur in einer fremden Umgebung zu Recht finden zu müssen, sondern sich auch noch ständig auf die „richtige“ Straßenseite zu konzentrieren?
Aber jetzt müssen erst einmal 563 Autobahnkilometer zur Kanalfähre nach Calais abgespult werden. Langweilig, aber notwendig. Nach einer Stunde Fahrt bin ich so durchgefroren, dass ich auf einem Parkplatz erst einmal eine zusätzliche Jacke aus den Tiefen eines Seitenkoffers hole. Wo bleibt nur der Sommer? Die Internet Wetterfee kündigt für Dover am Mittag 8 Grad Celsius an. Wenigsten sagt sie nichts von Regen.
Die Fahrt Richtung Frankreich über Holland und Belgien verläuft ruhig. Die Strecke ist frei und es lassen sich gut „Kilometer machen“. In Belgien fällt mir eine ungewöhnliche Form des Grüßens unter Motorradfahrern auf. Beim Abschluss des Überholvorgangs wird der rechte Fuß ausstreckt. Ich war schon zuvor in Belgien mit dem Motorrad unterwegs, aber das ist mir noch nie bewusst aufgefallen. Für deutsche Motorradfahrer, die in der Regel lediglich auf der Landstraße den Gegenverkehr mit der linken Hand grüßen, sieht das sehr ungewöhnlich aus. Wie man wohl in England im Linksverkehr grüßt? Man kann ja schlecht die Hand vom Gas nehmen. Auf jeden Fall sind sie wieder da – die Gedanken an den Linksverkehr.
Was in Belgien schnell auffällt, ist das fast nicht existierende Tankstellennetz auf der Autobahn. So sind mein langjähriger Reisebegleiter und ich nach ein paar Stunden Fahrt gezwungen, die Autobahn zu verlassen und etwas Abseits eine Tankstelle zu suchen. Diese ist zum Glück recht schnell gefunden. Hier gibt es zwar Benzin, aber dafür streikt die ersehnte Kaffeemaschine. In Belgien ist es auch nicht wärmer als im Taunus und auf den letzten Kilometern ist die Vorfreude auf etwas Heißes zu trinken von Minute zu Minute gestiegen. Mein Kommentar über belgische Kaffeemaschinen ist daher nicht druckreif…
Den Fährhafen von Calais erreichen wir gegen Mittag. Nun nur noch schnell Tickets kaufen und dann geht es endlich über den Ärmelkanal. Frankreich und England trennen hier nur knapp 43 Kilometer Luftlinie und so dauert die Überfahrt nur 30 Minuten. Bis wir aber endlich an Bord dürfen, werden unsere Pässe sage und schreibe drei Mal kontrolliert. Gar nicht so einfach, auf die Insel zu gelangen. Sobald wir an Bord sind, werden die Motorräder fest unter Deck verzurrt. So kann es, sollte der Ärmelkanal heute etwas rauer sein, zu keinem so genannten „Umfaller“ kommen. Das Fahrzeugdeck wird während der Fahrt geschlossen und so verbringen wir die kurze Seereise im Bordrestaurant der Fähre.
In Dover muss alles ganz schnell gehen. Kaum zurück auf dem Fahrzeugdeck, werden die Motorräder los gemacht, Helm auf, Handschuhe an und schon rollen wir von Bord.
Und da hat er uns. Der gefürchtete Linksverkehr. Aber siehe da, es ist gar nicht so schwer. Die ersten Kilometer orientiere ich mich noch am vorausfahrenden Verkehr, dann werde ich Kilometer für Kilometer etwas mutiger und schon bin ich Teil des Fahrens auf der „falschen“ Seite. Sogar links herum in einen Kreisel hinein zu fahren, hat nach ein paar Anläufen schon fast etwas Normales.
Wer also macht sich schon Gedanken über den Linksverkehr??
Das Ziel für den ersten Reisetag ist Brighton. Bis dorthin sind es von Dover ca. 165 Kilometer.
Die ersten Eindrücke bestätigen mein von Fernsehkrimis und Kriminalromanen geprägtes Bild von England. Sobald wir Dover verlassen haben, sehe ich nur kleine Häuser, mit dem typischen britischen Erker zur Straßenseite und Vorgärten, die so klein sind, dass sie den Namen „Garten“ kaum verdienen. Hin und wieder erspähe ich große viktorianische Herrenhäuser. Eigentlich warte ich nur darauf, dass Miss Marple vor mir die Straße überquert.
Eine erste Pause legen wir in Hastings ein. Zum Glück haben wir das Wechselgeld für unsere Fährtickets in Britischen Pfund bekommen. So haben wir wenigstens etwas Kleingeld für einen Kaffee in der Tasche. Ein Bankautomat wäre jetzt nicht schlecht. Aber auch mit der Wegbeschreibung von freundlichen Passanten, ist die Bank in Hastings nicht zu finden. So müssen wir unser Glück eben in Brighton versuchen.
Es wird Zeit weiterzufahren und ich konzentriere mich jetzt besser wieder auf den Linksverkehr.
Nachdem uns einige Motorradfahrer im Gegenverkehr begegnet sind, hat sich auch die Frage beantwortet, wie die englischen Kollegen grüßen. Sie nicken leicht schräg in unsere Richtung. Da ich generell jedes Motorrad, das mir entgegen kommt beachte, übernehme ich schon bald den ungewohnten Gruß.
Brighton fordert unsere gesamte Aufmerksamkeit. Hier ist der Verkehr viel dichter und es ist wichtig, nicht zu viel nach links und rechts zu schauen. Unser Ziel in Brighton ist der bekannte Brighton Pier. Im Jahr 1891 wurde der erste Pfahl gesetzt. Die Eröffnung folgte im Jahr 1899. Seit dem ist der Pier einer der größten Tourismus Magnete in Brighton. Aber ganz ehrlich…Ich glaube, man muss tatsächlich Brite sein, um das zu verstehen. Auf dem Pier drängen sich Restaurants und Souvenirläden dicht aneinander. Ganz am Ende des Piers warten noch einige Fahrgeschäfte auf Besucher. Das ist alles, mehr ist da nicht. Auf jeden Fall kann ich jetzt auch behaupten, da gewesen zu sein.
Das Wichtigste für uns ist im Augenblick der Geldautomat, der vor dem Eingang zum Pier steht. Schließlich ist es mittlerweile 19:30 Uhr und wir stehen noch immer ohne Geld da. Also schnell meine Plastikkarte in den Automaten gesteckt, den gewünschten Betrag eingeben und die britischen Scheine in Empfang nehmen.
Aber….Das habe ich mir auch nur gedacht…
Auf dem Monitor des Automaten erscheint nur der höhnische Hinweis „No display“. Das Ergebnis lässt sich übrigens mit jeder meiner Karten reproduzieren!
Und jetzt? Wir haben keine Lust die Nacht unter dem Brighton Pier zu verbringen. Zum Glück funktioniert die Karte meines Reisebegleiters. Die Fortsetzung unserer Tour ist gesichert. Wir beschließen Brighton Richtung Portsmouth zu verlassen und uns etwas außerhalb von Brighton möglichst bald eine Unterkunft für die Nacht zu suchen.
In dem überschaubaren Ort Littlehampton werden wir im Hotel Victoria von Miss Hyland fündig. Die Bezeichnung „Hotel“ ist vielleicht etwas mutig, aber unsere Wirtin betreibt auf jeden Fall eine sehr schöne Bed & Breakfast Pension, die im Stil der 1960er Jahre eingerichtet ist. Wahrscheinlich wohnt hier Miss Marple tatsächlich im Zimmer nebenan.
Schnell das Gepäck abstellen und die Motorradhose gegen eine Jeans tauschen. Es ist mittlerweile 21:00 Uhr und nach 17 Stunden Fahrt haben ein warmes Abendessen und ein kaltes Bier definitiv Vorrang vor einer Dusche.
Auch in Little Hampton versuche ich noch einmal mein Glück an einem Bankautomaten. Leider mit dem gleichen negativen Ergebnis. Zum Glück kann mein Freund seine Karte noch einmal erfolgreich einsetzten und so verfügen wir über genügend Bargeldreserven für die Hotelrechnung und im Zweifelsfall auch für alle anderen Ausgaben in den nächsten Tagen.
Nach dem Abendessen, lassen wir den Tag noch gemütlich in einem Pub bei einem Glas Bier ausklingen.
Tag 2:
Früh wecken mich die Möwen vor meinem Fenster und es treibt mich bereits um kurz vor 06:00 Uhr aus dem Bett. Nach sieben Stunden Schlaf fühle ich mich frisch und ausgeruht. Vor dem Frühstück möchte ich mir den Strand und den kleinen Ort etwas genauer ansehen. So erkunde ich die Promenade am Meer, schlendere durch den Ortskern und mache dabei viele Fotos.
Pünktlich zum Frühstück bin ich zurück in unserer Pension. Was mich dort auf dem Teller erwartet, würde jedem Kardiologen die Haare zu Berge stehen lassen: Fetttriefende Bratwurst, Spiegeleier, gebratene Tomaten und Pilze. Dafür würde Herrn Doktor wahrscheinlich der Kaffee gefallen. Der ist nämlich so dünn, dass ich den kompletten Löffel in der Tasse sehen kann.
Nach so einem Frühstück kann man sich entweder wieder ins Bett legen oder gestärkt in den Tag starten. Wir entscheiden uns für die zweite Möglichkeit und brechen nach dem letzten Bissen schon bald Richtung Portsmouth auf.
In Portsmouth wollen wir die Fahrt an der Küste entlang unterbrechen und zwei Besichtigungsstops einlegen. Im historischen Hafen liegen mehrere alte Segelschiffe. Dicht beieinander finden sich z.B. die HMS Victory aus dem Jahr 1765 von Lord Nelson. Das Schiff diente ihm 1805 in der bekannten Seeschlacht von Trafalgar als Flaggschiff. Da für die Besichtigung des Schiffes allerdings 18 Britische Pfund aufgerufen werden (das entspricht ca. 24€), begnügen wir uns mit der (gratis zu besichtigenden) HMS Warrior aus dem Jahr 1860. Sie war das erste ozeantaugliche Schiff mit einem gepanzerten Rumpf und galt zu ihrer Zeit als „nicht versenkbar“. Angetrieben wurde die Warrior von einer Dampfmaschine. Bei Bedarf konnte sie allerdings auch segeln. Hierzu konnten die Schornsteine eingezogen werden. Der rasante Fortschritt in der Marinetechnologie ließ sie allerdings innerhalb von nur 10 Jahren technisch veralten, so dass sie von da an ihr Dasein erst als schwimmendes Depot im Hafen und später als Unterkunft für Matrosen fristen musste. Seit 1984 dient sie im renovierten Zustand als Museumsschiff.
Da wir vorhaben, den Vormittag der Zeitgeschichte zu widmen, wollen wir auch noch einen Blick in das D-Day Museum von Portsmouth werfen. 1944 sind von Portsmouth aus die alliierten Truppen in die Normandie zur Befreiung Europas gestartet.
Die Suche nach dem Museum gestaltet sich allerdings etwas schwierig. Die in meinem Navi gespeicherte Route, beinhaltet einen im Vorfeld zu Hause geplanten Wegpunkt, der mitten im britischen Marinestützpunkt von Portsmouth liegt. Der Wegpunkt will sich partout nicht löschen lassen und das Navi besteht auf das Anfahren der Koordinaten, bevor es uns zum Museum führen möchte.
Man kann ja mal fragen…. Am Kasernentor ernte ich ungläubige Blicke und kurz nachdem ich meine Bitte um Einlass in den militärischen Sicherheitsbereich formuliert habe, hat mich der Wachposten auch schon fortgejagt.
Zum Glück beruhigt sich das Navi nach einigen planlosen Kilometern durch die Straßen von Portsmouth und führt uns zum D-Day Museum. Tatsächlich ist das Museum nur wenige Straßen vom Hafen entfernt beheimatet…
Das 1984 eröffnete Museum beschreibt in mehreren Räumen sehr plastisch den Ablauf der Operation „Overlord“, die am 06. Juni 1944 mit der Einschiffung der alliierten Truppen in Portsmouth ihren Anfang nahm. Neben diversen Fahrzeugen und nachgestellten Szenen, kann auch ein 83 Meter langer Wandteppich besichtigt werden, der den Ablauf des D-Days in vielen Details wiedergibt.
Nach so viel Geschichte wollen wir wieder auf die Straße. Wir müssen heute noch einige Kilometer fahren. Unser Tagesziel ist Exmouth. Dort wollen wir die Fähre nach Starcross nehmen. Die Fähre soll uns dabei helfen, etwas Zeit zu sparen. Sie verbindet eine schmale Landzunge und erspart uns den zeitraubenden Weg an der Küste entlang.
Da wir viel Zeit im Museum verbracht haben, fahren wir jetzt lange Strecken auf der A270. Die Straße entspricht dem, was wir als Bundesstraße bezeichnen würden. Fahrerisch nicht sehr aufregend, aber äußerst praktisch.
Gegen 19:00 kommen wir endlich in Exmouth an. Aber wo soll hier eine Fähre verkehren? Weit und breit ist nichts zu sehen. Wir verstehen es nicht. Im Internet wurde bei unserer Planung mehrfach auf die Fähre hingewiesen. Aber es hilft kein Meckern und Schimpfen. Wir müssen wieder rauf aufs Motorrad und es wenigstens noch in die Nähe des Startpunkts von Tag 3 schaffen. Zumindest, wenn wir unseren Reiseplan einhalten wollen.
Im kleinen Ort Kenton lassen wir es allerdings dann doch für heute gut sein. Wir finden nach kurzer Suche zwei Zimmer oberhalb eines China Restaurants. Anstelle eines englischen Guinness, gibt es zum Abschluss des heutigen Tages chinesisches „Tiger“ Bier. Vom langen Fahrtag ziemlich erledigt beenden wir den Tag recht bald. Natürlich nicht ohne ein leckeres chinesisches Abendessen.
Tag 3:
Am Morgen wecken mich diesmal keine Möwen, sondern prasselnder Regen. Es schüttet wie aus Eimern, und ich muss an unseren ursprünglichen Plan, nämlich mit dem Zelt zu reisen, denken. Zum Glück hört der Regen bald auf und ich kann zu meiner üblichen Kurzbesichtigung des Ortes aufbrechen. Da es in Kenton außer einer alten Kirche sowie zugehörigen Friedhof nicht viel zu besichtigen gibt, sitze ich schon bald im Frühstücksraum unserer Unterkunft. Langsam gewöhne ich mich an das englische Frühstück...
Für heute stehen zwei Orte auf unserem Besichtigungsprogramm: Land´s End, der westlichste Punkt Englands und der Dartmoor Nationalpark mit dem berühmten Gefängnis.
Da meine Hausbank nach dem gestrigen Feiertag in Deutschland heute wieder geöffnet hat, will ich aber erst einmal in Erfahrung bringen, warum ich nirgendwo Geld abheben kann.
Die Lösung ist ganz einfach:
Für Großbritannien bedarf es einer gesonderten Freischaltung meiner Karten. Diese bekomme ich innerhalb von 15 Minuten und schon bin ich wieder liquide. So einfach ist das…
Bei trübem Wetter, aber zumindest ohne Regen machen wir uns auf den Weg Richtung Westen. Die Strecke führt entlang der bekannten englischen Seebäder Torquay, Torbay, Paignton und Brixham. Kleine Kiesstrände mit einer Promenade aus Fish & Chips Läden, Pubs und Souvenirshops. Trotz der kühlen Temperaturen sieht man viele Briten in T-Shirt und kurzen Hosen. Langsam begreife ich, warum man die englische Riviera in keinem deutschen Reisekatalog findet. Wahrscheinlich muss man Brite sein, um dem Charme von vergangener Zeit, den die Orte ausstrahlen, etwas abgewinnen zu können.
So halten wir uns nicht lange auf, denn es sind noch einige Kilometer bis Land´s End zu fahren. Kurz vor unserem ersten Ziel des Tages stoppen wir noch einmal am „St. Michaels Mount“. Auf einer kleinen Insel, die nur 366 Meter vom Festland entfernt ist, befindet sich ein kleines Schloss, nebst zugehöriger Kapelle. Erreichbar ist die Insel mit Hilfe einer Fähre oder bei Niedrigwasser über einen schmalen Damm. Wir begnügen uns mit einem kurzen Foto Stopp und fahren schon bald die letzten Kilometer bis Land´s End.
Bei strahlendem Sonnenschein erreichen wir den westlichsten Punkt des englischen Festlands. Vom Parkplatz aus, muss erst das in Großbritannien obligatorische Besucherzentrum mit den üblichen Imbissbuden und Souveniershops durchquert werden. Da die Saison noch nicht richtig begonnen hat, sind die meisten Geschäfte allerdings noch geschlossen.
Von der 60 Meter hohen Klippe hat man einen wunderbaren Ausblick auf den Atlantik. Bei einem Rundgang findet sich das erste, bzw. letzte Haus Englands. Je nachdem, aus welcher Richtung man gerade kommt. Wie zu erwarten, findet sich auch am örtlichen Pub die gleiche Kennzeichnung.
Wir wollen heute noch bis nach St. Austell fahren. Der Weg dorthin führt über eine schmale, von hohen Hecken gesäumte Landstraße, auf der gerade so ein Auto und ein Motorrad mit Seitenkoffern aneinander vorbei passen. Trotz der engen, schlecht einsehbaren Kurven, sind alle Verkehrsteilnehmer recht flott unterwegs.
Im Ausgang einer dieser Kurven höre ich auf einmal ein lautes, klackendes Geräusch. Der Motor heult auf und der Drehzahlmesser schießt in den roten Bereich.
Mitten auf dieser engen Straße, auf der anscheinend alle Feierabend Rennfahrer verabredet sind, ist meine Kette rausgesprungen! Eine schlechtere Stelle hätte sie sich dafür nicht aussuchen können.
Glück im Unglück! Fast im gleichen Moment hält ein junger Mann mit seinem Land Rover und sperrt somit die Straße hinter mir ab. Zumindest kann mich jetzt von hintern erst mal niemand mehr auf die Kühlerhaube nehmen. Mit wenigen Handgriffen hat der freundliche Helfer die Kette wieder aufgezogen und stellt mit Bedauern fest, dass er sein Werkzeug nicht dabei hat, um die Kette auch noch spannen zu können. Auch mein Reisebegleiter hat mittlerweile gemerkt, dass ich nicht mehr hinter ihm fahre und hat gewendet. Leider findet sich auch seinen Koffern nicht das richtige Werkzeug um der Kette wieder Spannung zu verleihen.
Vorsichtig setzten wir unsere Fahrt fort. Zum Glück ist St. Austell bereits der nächste Ort. Im ersten Bed & Breakfast, das wir anfahren, haben wir leider keinen Erfolg. Alle Zimmer sind belegt. Der Besitzer der Pension ist allerdings so freundlich und telefoniert so lange herum, bis er eine Unterkunft für uns gefunden hat. Diese Pension entpuppt sich als echter Glücksgriff für uns. Der Ehemann der Besitzerin arbeitet hauptberuflich als Hausmeister und verfügt daher über alle möglichen Werkzeuge. Der passende Schraubenschlüssel zum Spannen der Kette ist schnell gefunden. Die Welt ist wieder in Ordnung. Den Schraubenschlüssel dürfen wir sogar behalten. Der Weiterfahrt am nächsten Morgen steht nichts im Weg.
Was nun noch folgt, ist inzwischen unser allabendliches Ritual…
Abendessen und ein Abschlussbier im Pub.
Apropos Pub… Eiskaltes Bier ohne Kohlensäure und Schaum (Red Ale) ist Geschmackssache. Ich finde es klasse. Mein Reisebegleiter bekommt es kaum herunter. Den Einheimischen im Pub scheint es auf jeden Fall zu schmecken. Die glasigen Augen und roten Nasen bestätigen es…
Tag 4:
„Gehen Sie in das Gefängnis! Gehen Sie direkt dort hin. Gehen Sie nicht über los!“
Heute wollen wir in den Dartmoor Nationalpark und dort in das berühmte Gefängnis, dass jeder Krimileser und Edgar Wallace Fan kennt. Natürlich nur in das zugehörige Museum.
Der Dartmoor Nationalpark hat eine Gesamtfläche von 954 Quadratkilometern und besteht vornehmlich aus Moor und Heide. Die Fahrt durch das Dartmoor ist mehr als beeindruckend. Ein Farbenspiel aus Braun- und Grüntönen soweit das Auge reicht. Dazwischen tummeln sich jede Menge Schafe und Ponys. Die Ponys sind zum Teil so zutraulich, dass sie sich sogar streicheln lassen. Ich für meinen Teil, muss allerdings nicht alles anfassen. Anschauen reicht mir…
Das Museum des Dartmoor Gefängnis in der Nähe von Princetown ist leicht zu finden. Im Jahr 1809 wurde das berühmte Gefängnis eröffnet. Ursprünglich gebaut für französische Gefangene aus dem Krieg zwischen England und Napoleon. Nach dem Krieg geschlossen, wurde es 1851 wieder eröffnet und wird seitdem als Gefängnis für Schwerkriminelle genutzt. Aufgrund seiner abgeschiedenen geografischen Lage, gilt es als nahezu ausbruchsicher.
Da auch Häftlinge im Museum beschäftigt sind, ist das Fotografieren, zum Schutz deren Privatsphäre leider verboten. Ein paar Aufnahmen habe ich trotzdem gemacht. Ja, ich weiß…
Nach der ausgiebigen Besichtigung vieler Gegenstände aus dem Alltag im Strafvollzug, machen wir uns auf den Weg Richtung Stonehenge.
Unterwegs unterbrechen wir spontan die Fahrt im Automobil- und Motorradmuseum von Moretonhamsead. In dem kleinen Museum werden über 100 Fahrzeuge aus den letzten 100 Jahren dargestellt. Geschichte zum Anfassen. So wie mir das gefällt.
Auf dem Parkplatz vor dem Besucherzentrum von Stonehenge angekommen, fallen uns schon bald die Besucherschlangen vor den Kassenhäuschen auf. Für die kurze Busfahrt vom Besucherzentrum zum eigentlichen Steinkreis werden 18,50 GPB aufgerufen. Die Schlange ist so lang, dass wir wahrscheinlich eine Stunde warten müssten, bis wir endlich an der Reihe sind. Zu Fuß ist die Strecke zu den Steinen laut der Auskunft einer Angestellten in ca. einer halben Stunde zu bewältigen. So steht unser Entschluss schnell fest und wir machen uns auf den Weg.
Über Stonehenge, dessen Frühphase auf 3100 v. Chr. geschätzt wird, gibt es viele Theorien. Vom Kult- und Versammlungsplatz, über eine religiöse Anlage, bis hin zu einem Observatorium. Niemand weiß es genau. Die Information ist im Laufe der Jahrtausende einfach verloren gegangen. Wahrscheinlich ist es genau das, was die Faszination dieses Steinkreises ausmacht. Der Bau muss eine unglaubliche Kraftanstrengung gewesen sein. Wissenschaftler haben nachweisen können, dass die Steine teilweise aus einem 30 Kilometer entfernten Steinbruch stammen.
Nach anstrengenden 30 Minuten Rückweg (wandern in Motorradsachen bei strahlendem Sonnenschein ist keine gute Idee), brechen wir Richtung Dover auf. Hier wollen wir die letzte Nacht verbringen und früh am nächsten Morgen mit der Fähre zurück nach Calais.
Gegen 20.00 Uhr haben wir es geschafft. Dover ist erreicht. Allerdings sind hier keine freien Zimmer zu finden. Wir erhalten von einer größeren Hotelkette die Auskunft, dass aufgrund des langen Wochenendes in Großbritannien bis nach London kein Zimmer zu bekommen ist. Das hat gerade noch gefehlt. Der Tag war lang. Sehr lang. Jetzt noch auf die Fähre und unser Glück in Calais versuchen?
Es hilft nichts. Um 23.30 Uhr bekommen wir Plätze auf der Fähre. Mit Hilfe des Internets gelingt es uns zwei Zimmer in einem Ibis Hotel in der Nähe des Hafens zu reservieren.
Dort endlich angekommen, kann ich es kaum glauben. Das Hotel liegt mitten auf der Partymeile von Calais. Die Musik dröhnt aus den Kneipen und Horden von angetrunkenen Jugendlichen tummeln sich auf der Straße. Hier macht man kein Auge zu und meine BMW stelle ich hier sicherlich nicht auf die Straße!
Aber manchmal haben wir auch einfach Glück. Unsere Zimmer liegen in einem Anbau nach hinten und es gibt noch Platz für unsere Motorräder in einem abgeschlossenen Hof.
Dass das Hotel aussieht, wie eine alte Fabrikhalle spielt um 01.30 Uhr keine Rolle mehr. Ich möchte nur noch ein Bier gegen den Durst und dann ab ins Bett. Obwohl die Hotelbar bereits geschlossen ist, erkennt der Rezeptionist unserer Notlage und es gibt sogar 2 Bier aufs Haus…
Tag 5:
Nach einem dürftigen französischen Frühstück brechen wir gegen 09.00 Uhr leidlich ausgeruht auf (Ich weiß…Erst über das englische Frühstück meckern und jetzt über das französische).
Vor uns liegen 550 Kilometer durch Frankreich, Holland und Belgien. Der Wetterbericht verspricht Starkregen. Meinen Regenkombi interessiert das nicht. Der Reisverschluss ist trotzdem kaputt. Wenigstens sind meine Jacke und Hosen auch so wasserdicht. Allerdings wird der Anzug mit jeden Wassertropfen schwerer werden.
In Belgien werden alle Befürchtungen bezüglich des Wetters wahr. Starkregen, der kein Ende nehmen will. Zu allem Überfluss geht inmitten dieses Unwetters meine Ölkontrollleuchte an. Das hat jetzt noch gefehlt. Im strömenden Regen kontrollieren wir auf dem Standstreifen meinen Ölstand. Keine angenehme Aufgabe, wenn in einem Abstand von drei Metern Autos mit überhöhter Geschwindigkeit Wasserfontainen hochschleudern. Aber es ist genügend Öl in der Maschine.
Wir beschließen die letzten 15 Kilometer zur ersten Raststätte in Deutschland zu fahren. Von dort aus rufen wir den ADAC. Einfach so weiter zu fahren, könnte den Motor kosten.
Nach einer Stunde Wartezeit trifft der „gelbe Engel“ auf der Raststätte Aachener Land ein. Ergebnis seiner Untersuchung: Der Schalter der Kontrolllampe ist kaputt und muss zu Hause gewechselt werden. Kleine Ursache mit großer Wirkung.
Wenigstens können wir unsere Reise fortsetzten. Mit immer wieder flackernder Kontrollleichte erreiche ich gegen Abend ohne weitere Zwischenfälle mein Zuhause im Taunus.
Fazit der Tour?
Ich würde jederzeit wieder nach England fahren. Meine Befürchtungen bezüglich des Linksverkehrs waren unbegründet. Schon nach wenigen Kilometern hat man sich daran gewöhnt. Die Engländer sind sehr freundlich und hilfsbereit. Das Bier ist entgegen aller Vorurteile trinkbar.
Nur das Essen…Also ich habe jetzt verstanden, warum man folgenden Satz in Deutschland nie hört:
„Wollen wir heute Abend beim Engländer essen gehen?“