Dez 052016
 

Ein Ziel für eine Tagestour ist schnell gefunden. Seit langem schon, möchte ich mir einmal einen Teil der Maginot-Linie ansehen. Die Maginot-Linie in Frankreich, erbaut von 1930 bis 1940 war eine aus einer Linie von Bunkern bestehendes Verteidigungssystem entlang der Grenze zu Belgien, Deutschland, Luxemburg und Italien und sollte nach den Erfahrungen des 1. Weltkriegs vor Angriffen aus diesen Ländern schützen.


Land / Region:
Frankreich / Lothringen

Charakter:
Straße

Länge:
356 KM

Reisezeit:
März - Oktober



Im Oktober neigt sich die Motorrad Saison langsam dem Ende entgegen. Es wird Zeit, die letzten schönen Tage des Jahres für eine finale Tour zu nutzen.

Eine Abschlussfahrt im doppelten Sinne. Die letzte Tour für 2016 und die letzte für meine BMW F 650 GS, die in der kommenden Saison einer Kawasaki Versys weichen soll.

Ein Ziel für eine Tagestour ist schnell gefunden. Seit langem schon, möchte ich mir einmal einen Teil der Maginot-Linie ansehen. Die Maginot-Linie in Frankreich, erbaut von 1930 bis 1940 war eine aus einer Linie von Bunkern bestehendes Verteidigungssystem entlang der Grenze zu Belgien, Deutschland, Luxemburg und Italien und sollte nach den Erfahrungen des 1. Weltkriegs vor Angriffen aus diesen Ländern schützen.

Von meinem Zuhause im Taunus relativ leicht zu erreichen, ist die Festung „Simserhof“ in der kleinen Ortschaft Siersthal, kurz hinter der französischen Grenze. Wenn ich um Autobahn und Bundesstraßen einen großen Bogen mache und mich nur auf kleinen und kleinsten Landstraßen bewege, habe ich eine Hinreise von circa 280 Kilometer vor mir. Dafür plane ich 4 Stunden ein. Bei meinen Planungen im Internet habe ich erfahren, dass vor Ort eine umfangreiche Führung von ungefähr 3 Stunden angeboten wird. Die Heimreise will ich größtenteils über die Autobahn bewerkstelligen. Die Entfernung beträgt auf diesem Weg knapp 250 Kilometer und sollte in 2,5 Stunden zu schaffen sein. Alles in allem eine Tagestour von 10 Stunden. Das klingt nach einem Plan.

Da es im Herbst jetzt morgens erst später hell wird und sich im Taunus der Frühnebel gerne etwas länger hält, breche ich erst um 08:30 Uhr von zu Hause auf. Der Tank ist voll, dass Gepäck und die Photoausrüstung sind auf das notwendigste beschränkt.

Los geht´s. Das letzte Mal für dieses Jahr auf Tour.

Auf den ersten Kilometern lasse ich die Saison 2016 noch einmal Revue passieren. Ride to eat der Iron Butt Association im Schwarzwald, Süd-England Tour, German Butt Tour der Iron Butt Association, nächste Woche noch ein Besuch der Intermot in Köln und viele viele kleinere Ausfahrten. Und das ganze überschattet vom tödlichen Unfall meines langjährigen Freundes und Reisebegleiters.

Die Sonne reist mich aus meinen Gedanken. Sie strahlt, als wolle sie es dem Herbst noch einmal richtig zeigen. Vielleicht bleibe ich heute ja sogar trocken. Der Wetterbericht hat eine Regenwahrscheinlichkeit von 10% prognostiziert.

Ich fahre zunächst gemütlich durch den Rheingau bis nach Ingelheim. Dort will ich mit der Fähre auf die andere Rheinseite wechseln. Ich habe Glück und muss nur 15 Minuten auf die nächste Fähre warten. Die Überfahrt dauert nur 5 Minuten und kostet für Motorrad  und Fahrer nur 3€. Ein akzeptabler Preis.

Meine geplante Route gefällt mir auf der Straße noch besser, als auf dem PC und der Straßenkarte. Richtung Kaiserslautern und Saarbrücken werden die Landstraßen immer kurvenreicher und leerer. Kein Mensch scheint unterwegs zu sein. Ich komme durch kleine Dörfer, in denen jeder jeden zu kennen scheint und ich neugierig beäugt werde. Die Lufttemperatur hat sich bei 15 Grad Celcius eingependelt. Mit dem in meinen Motorradkombi eingeknöpften Thermofutter eine angenehme Temperatur zum Fahren. Mit laufender Griffheizung reichen sogar noch leichte Sommerhandschuhe und ich kann auf die klobige Winterausführung verzichten.

Als auf einmal viele der Schilder am Wegesrand auch auf Englisch beschriftet sind und ich immer wieder amerikanische Automodell sichte, macht sich die Nähe zu Rammstein bemerkbar. Also habe ich bereits 2/3 der Strecke geschafft. Gegen 12:30 Uhr erreiche ich die französische Grenze und kurz darauf mein Ziel. Die Festung „Simserhof“.

Bevor ich etwas anderes mache, gehe ich als erstes zur Kasse und besorge mir ein Ticket für die nächste Tour auf Deutsch. Die nächste Tour startet um 13:30 Uhr und ich bekomme für 12€ einen der letzten Plätze. Die Tour wird circa 3 Stunden dauern und beinhaltet eine Filmvorführung über die Entstehung des Simserhof, eine Fahrt mit der Schmalspurbahn durch die unterirdischen Munitionslager und eine Führung durch die Kaserne, die 25 Meter tief unter der Erde liegt. Im Rahmen dieser Tour erhalte ich viele interessante Informationen über Entstehung und Funktion der Anlage.

Simserhof war die Bezeichnung eines Artilleriewerks der französischen Maginot-Linie, etwa 4 km westlich von Bitche entfernt an der D 35 Richtung Sarreguemines. Das dem Festungsabschnitt Rohrbach zugeordnete Werk erhielt seinen Namen von einem früher dort befindlichen Bauernhof und hatte die Aufgabe, den Grenzvorsprung nördlich Bitche zu schützen.

Ein erster Plan vom 7. Juni 1929 sah für den Simserhof nur eine etwa 260 m breite Befestigungsanlage mit fünf Geschützen vor, die von einem Graben umgeben sein sollte. Wenig später entschied man sich, hier zwei getrennte Anlagen aufzubauen und diese nur über ein unterirdisches Gangsystem miteinander zu verbinden. Der endgültige Bauplan wurde schließlich am 16. September 1930 genehmigt. Auf einer Breite von 750 m sollten zwei Halbwerke mit hauptsächlich flankierend wirkenden Waffen entstehen und dazwischen ein Mittelwerk mit Geschütztürmen, um den Fernkampf zu führen. Noch immer waren für beide Halbwerke je ein Rundumgraben vorgesehen. Zwischen 1930 und 1933 entstand der Rohbau. Anschließend begann die Installation der technischen Einrichtung und der Geschütze. 1938 war das Festungswerk fertiggestellt. Zeitweise waren daran 2000 Arbeiter Tag und Nacht beschäftigt. Letztlich entstanden zwei Eingangs- und acht Kampfblöcke. Der vorgesehene Graben und einige andere Verstärkungsbauten wurden aus finanziellen Gründen nicht realisiert. Der Mannschaftseingang führt über ein Treppenhaus und einen Aufzug in das unterirdische Gangsystem. Munition und Versorgungsgüter wurden über eine 60-cm-Feldeisenbahn, die über Reyerswiller und Lemberg nach St. Louis führte, zum Werk geliefert. Von dort ging es mit der Normalspurbahn weiter zum Munitionsdepot in Wingen. Im Werksinneren wurde die Munition in einem etwa 150 m großen Hauptmunitionslager mit sieben Zellen sicher gelagert, um von dort mit der elektrifizierten Werksbahn nach vorne zu den Kampfblöcken transportiert zu werden.

Die acht Kampfblöcke, auf einem Gelände von etwa 30 ha verteilt, sind in drei Abschnitte aufgeteilt: Im Halbwerk West lagen die Artilleriekasematten 1, 2 und 5, im Halbwerk Ost die Artilleriekasematten 3, 4 und 6. Dazwischen lagen die Artilleriebunker 7 und 8. Alle Geschütze zusammen konnten etwa 2,5 t Munition pro Minute verschießen.

Die Gesamtkosten für die Anlage beliefen sich auf 118 Millionen Franc.

Die deutsche Wehrmacht griff im Westfeldzug das starke Artilleriewerk Simserhof nicht direkt an. Am 14. Juni 1940 gab das Werk mehrere Salven mit Block 8 auf feindliche Patrouillen bei Gros-Réderching ab. Nach dem Durchbruch der 1. Armee im Saarabschnitt standen die Deutschen im Rücken der Befestigungslinie. Nacheinander fielen die Infanteriewerke Haut Poirier (21. Juni) und Welschhoff (23. Juni), die zu weit entfernt lagen, um wirksamen Schutz von hier zu erhalten. Angriffe auf das Nachbarwerk Rohrbach, das voll im Wirkungsbereich der Waffen vom Simserhof lag, konnten jedoch abgewiesen werden. Nachdem die Deutschen Paris besetzt hatten, übergab die französische Regierung alle Festungsanlagen kampflos. Erst der Zwang durch die französische Regierung und die Drohung der Deutschen, weitere Gebiete in Frankreich zu besetzen, konnte die Soldaten jedoch dazu bewegen, die Festung zu übergeben. So wurde der Simserhof erst vier Tage nach der offiziellen Einstellung der Kampfhandlungen am 30. Juni 1940 an die deutschen Besatzer übergeben. Die Besatzung ging, bis auf eine kleine Gruppe von Spezialisten zur Wartung der Anlage, in deutsche Kriegsgefangenschaft.

Schon auf der Fahrt mit der Schmalspurbahn durch die ehemaligen Munitionslager, wird man sich schnell der Kälte und der Feuchtigkeit in der Festung bewusst. Zum Glück weiß man als Besucher, dass man in kurzer Zeit wieder ans Tageslicht tritt. Wie müssen sich die Soldaten gefühlt haben, die hier monatelang stationiert waren? Während die Bahn ihre Fahrt durch die dunklen Gänge fortsetzt, wird über Film- und Toneinspielungen das Leben in der Festung anhand der Erlebnisse eines jungen Soldaten geschildert. Ein beeindruckender Einblick in den Tagesablauf in der Festung.

Im Anschluss an die Bahnfahrt geht es zu Fuß zur ungefähr 300 Meter entfernten Kaserne. 25 Meter tief muss meine Besichtigungsgruppe über Treppen in den Hauptkomplex hinabsteigen. Einen (noch immer funktionstüchtigen) Aufzug gibt es nur für 4 Personen. Dieser war während des Krieges den Offizieren vorbehalten. Die Besichtigung der Kaserne ist faszinierend und schreckend zugleich. Viele Räume sind hergerichtet, als ob die Soldaten jeden Augenblick zurückkehren würden.   

Zu besichtigen sind Schlaf- und Waschräume, die Krankenstation (inkl. Operationssaal und Zahnarztpraxis sowie Aufenthaltsräume, Küchen und Werkstätten. Selbstverständlich wird auch die zum Teil noch vorhandene, aber unbrauchbar gemachte, Bewaffnung der Festung gezeigt und im Detail erklärt. Die Führung ist so kurzweilig, dass ich ganz überrascht bin, als sich der Tourguide nach 1,5 Stunden für die Aufmerksamkeit bedankt und sich von der Gruppe verabschiedet. Leider müssen wir (bis auf 4 von uns) jetzt wieder die Stufen aus 25 Metern Tiefe bis ans Tageslicht emporsteigen. Diesmal habe ich allerdings Glück. Die Führung endet direkt vor dem eingangs beschriebenen Aufzug und ich stehe mit dem Rücken zur Tür. Der Aufstieg über die Treppen bleibt mir folglich erspart.

Gegen 16:45 Uhr bin ich zurück am Parkplatz bei meiner BMW. Da sich die Sonne langsam verabschiedet, mache ich mich schon bald darauf  auf den Heimweg. Zurück wähle ich die schnelle Variante über die Autobahn. Die 350 Kilometer sind schnell abgespult und verlaufen bis auf einen kurzen Regenschauer in der Nähe von Kaiserslautern unspektakulär. Gegen 19:30 Uhr erreiche ich mit dem letzten Tageslicht mein Zuhause im Taunus.

Etwas wehmütig parke ich die BWM in der Garage. Das war die letzte größere Tour in Jahr 2016 und die letzte Tour auf meiner GS.

Aber in 2017 wartet ein neues Motorrad auf mich und Ideen für eine erste größere Tour habe ich auch schon im Kopf…


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