Die Dolomiten, eine Alpenachterbahn die sich jeder mal gönnen sollte.
Land / Region: Italien / Süd Tirol / Dolomiten Charakter: Landstraße Länge: Reisezeit: August / September 2016 |
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„La dolce Vita“ (It. „Das süße Leben“) mit Schräglage!
Letzte Nacht hat es geregnet. Die Straße ist noch feucht und die Morgensonne wärmt nur wenig. Frische Bergluft, etwas nach moderiger Tanne riechend, inhaliere ich in tiefen Zügen. Mit mäßiger Geschwindigkeit zirkel ich die schmale Straße am Berg entlang. Leitplanken oder ähnliches brauchen die Einheimischen hier nicht. Die kennen jede Kurve mit Vornamen. Rechts unten sind einige Nadelbäume zu erkennen. Links oben nur noch niedriger Bewuchs. Das ist wohl die Baumgrenze. Voraus eine Kurve. Die Jungs sind nicht mehr zu sehen, dabei waren sie dicht vor mir. Ich fahre um eine Felsnase und finde mich mitten in einer Wolke die langsam den Berg hinauf wabert. Sichtweite: gleich null !!
So, oder so ähnlich träume ich von einer Tour in den Südalpen, in diesem Fall in den Dolomiten.
Wir sind auf Männertour. Fünf Tage lang nur bergauf, bergrunter. Es sind kleinste Passstraßen geplant die auch geteert sein dürfen. Wir, das sind Fredi, sein Bruder Christian und ich. Eine Truppe von Gleichgesinnten die nicht das übliche Klischee einer „Männertour“ erfüllen. Wir wollen Motorrad fahren, Spaß haben und nicht saufen bis zum völligen Verlust der Muttersprache.
In Klausen haben wir uns eingemietet. Ein kleines Örtchen im, an dieser Stelle sehr schmalen Eisacktal. Hier ist es nicht gerade ruhig, da die Geräuschkulisse der Brennerautobahn überall präsent ist. Trotzdem nutzen wir den Vorteil eines recht guten Hotels, das auch auf Motorradfahrer eingerichtet ist und sich durch eine sehr gute Küche hervorhebt. Desweiteren ist es hier zentral gelegen, so dass man nur wenige 100 Meter der Hauptstraße folgen muss, um schnell rechts oder links über schmale Wege in die Weinberge zu kommen. Zum eingrooven haben wir das Penser Joch (Passo Pennes 2211m) unter die Räder genommen. Es fällt mir bei dieser grandiosen Landschaft sehr schwer mich auf die Wegführung zu konzentrieren. Im Tal angenehme 28 Grad und eine würzige Luft, die ihres gleichen sucht. Also, das Sonnenvisier runter klappen, den Relaxgang einlegen und einfach nur genießen.
Der Manghen Pass (Passo Manghen 2047m)
Ein schmales Sträßchen von dem Ort Molina aus gefahren führt uns zum Manghen Pass. Erst eine Weile an einem Bach entlang und dann durch einen Nadelwald immer steiler und kurviger den Berg hinauf. An einigen Stellen hält sich noch sehr hartnäckig die Morgenfeuchtigkeit auf dem Teer. Wer mag und hat, kann hier die Traktionskontrolle vom Motorrad gut testen. Kurz unter der Passhöhe ist die Baita Manghen Hütte (Rifugio Passo Manghen). Bei schönem Wetter lohnt sich ein kurzer Stopp, um diese wunderschöne Umgebung auf sich wirken zu lassen. Ende August ist man auf den Straßen in diesen Bergen nirgendwo einsam oder gar alleine. Die teilweise in Rudeln auftretenden zweiradfahrenden Kollegen der pedaltretenden Zunft haben oft die pure Anstrengung im Gesicht stehen. Sie sind bergauf kaum schneller als eine kleine Ameise unter Last. Doch bergab wiederum sind sie pfeilschnell, absolut geräuschlos, oft formatfüllend im Rückspiegel und fahren auf ihren Trennscheiben breiten Reifen Schräglagen, die so manchen Chopperfahrer neidisch machen.
Der Kaiserjäger Stieg
Von Löweneck (Levico Terme) aus führt die SP133 (Strada Provinciale) durch einige Obstplantagen. In einer der unzähligen Kurven zweigt ein geteerter Trampelpfad in einen Wald ab. Kein normaldenkender Motorradfahrer mit einem Tourenmotorrad würde dort hinein fahren. Das ist der Einstieg in die Kaiserjäger Straße. Diese Straße war ein Versorgungsweg der im 19.Jahrhundert vom Militär in den Felsen gemeißelt wurde. Die nur 10 Kilometer lange, durchgehend geteerte, meistens einspurige Straße ist so imposant angelegt, dass einem beim Fahren die Spucke im Hals stecken bleibt. Die Felsdurchführungen sind vollkommen unbehandelt, also keinerlei Stützbeton oder andere Sicherungen. Einige Kehren sind so eng, dass wir im Außenradius mit fast Lenkanschlag herum kommen. Das ist eine Straße die sich ins Gedächtnis einbrennt.
Und dann war da noch: über den Jaufenpass (Passo di Monte Giovo 2094m) Richtung Meran.
Die Fahrt über den Jaufenpass ist beinahe unscheinbar. Irgendwann fährt man aus dem Wald über die Baumgrenze hinaus. Die Straße ist top geteert und meistens sehr übersichtlich. Es gibt einige Motorradfahrer, die diese griffig geteerten Straßen mit einer Grandprix Strecke verwechseln und dabei die komplette Straßenbreite wie ihr Eigentum benutzen. Wenn man sich diese rasende Fraktion von Motorradfahrern so ansieht, wie sie in beinahe embryonaler Stellung auf ihren Kurvenhetzern mit Drehzahlen im fünfstelligen Bereich die Berge rauf und runter prügeln, absolut nichts von der wunderschönen Landschaft mitbekommen kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Und zu Hause, in vertrauter Runde, sind sie stolz darauf im Urlaub einen kompletten Satz Reifen weggeschmirgelt zu haben. Eben Knieschleifer, für die die nächste Kurve immer besser ist als die letzte war. Natürlich muss man sich im Ausland genau so an die Geschwindigkeitsvorgaben halten wie bei uns. Gerade in Österreich und erst recht in Italien scheinen die Gendarmen weniger Humor zu haben als unsere doch manchmal toleranten Wachtmeister. Die ausländischen Spaßbremsen haben meiner Meinung nach auch verdammt große Hände um die enorm teuren Bußgelder gleich kassieren zu können. Möglicherweise ist diese naturgegebene Mutation der Hände eine Einstellungsbedingung. Anders gesagt, kann eine kleine Überhöhung der vorgegebenen Geschwindigkeit schnell ein riesen Loch in die Urlaubskasse sprengen. Inzwischen wird man auch immer öfter automatisch geradart. Wer auf dem Motorrad ein solches Blitzerlebnis hatte und glaubt, die fotografieren nur von vorne, wird sich dann zu Hause, nach der Rückkehr von einer schönen Urlaubstour über eine kostenintensive Überraschung wundern.
Auf der SS44 (Staats Straße) Richtung Meran geht es gefühlt keine 100 Meter geradeaus. Motorradfahrers Traum! Blöd ist nur, wenn man hinter einem Reisebus hängt und sich absolut keine Überholmöglichkeit bietet. So bleibt uns nur übrig an den Pflanzen in den Plantagen rechts und links die Früchte an den Ästen zu zählen. Das Mediterrane Klima in diesem Tal ist schon etwas Besonderes. Wo in den Alpen sieht man haushohe Palmen in den Vorgärten? Nachteil ist, hier stehen die Gebäude teilweise sehr eng aneinander, dass für Straßen nur wenig Platz bleibt. Daher staut es sich hier häufig und für Motorradfahrer ist auspuffnuckeln angesagt. Wir haben 34 Grad, der Stern glüht ohne Gnade auf uns herab und absolut kein Hauch Wind. Also, ade Meran und ab auf die Berge. Die SP98 führt Parallel zur Autobahn von Meran nach Bozen, nur mit dem Unterschied, dass sie oben über die Bergspitzen entlang geht. Also frische und kühle Luft. Von Bozen aus fahren wir die SS508 immer am Talferbach entlang. Wir genießen noch den alten Straßenverlauf durch enge und ziemlich unbeleuchtete Tunnel. Dies wird nicht mehr lange möglich sein, da die Bauarbeiten für einen schnellstraßenartigen Ausbau beinahe beendet sind. Schade für diese schöne Straße in einem teilweise schluchtartig schmalen Tal.
Das Beste zum Schluss:
Viele Schreiberlinge haben sich auf den unterschiedlichsten Plattformen über die Dolomiten ausgelassen. Allein die Menge der Berichte über die „Sella-Runde“ würde gedruckt und gebunden, vermutlich die Dicke eines Großstadt-Telefonbuches erreichen. Die Sella-Runde ist mit das schönste was ich bisher gesehen habe. Fahr sie, lass die Landschaft auf dich wirken, und die Begeisterung für diese Berge reißt dich vollkommen mit. Um das zu beschreiben fehlen mir die richtigen Worte.
Oder einfach so, wie wir es im Ruhrpott ausdrücken: „Boah ey!“