Donnerstag im Juni 2018 – Nach unserer "Schottland - Rundreise" im vergangenen Jahr brachte Thomas die Idee ins Rennen, einmal mit den Bikes - über die Route des Grandes Alpes - bis zum Mittelmeer zu fahren. In den einschlägigen Motorradzeitschriften hatten Birgit und er schon so einige beeindruckende Berichte dazu gelesen.
Der
Land / Region: Frankreich / Alpes Maritimes Charakter: Passstraßen Länge: 400 Reisezeit: Juni - August |
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... Funke dieser Idee sprang dann auch sofort auf mich über, so dass ich mich kurze Zeit später in das Thema Route des Grandes Alpes eingelesen hatte und ihnen eine 8-tägige Rundreise - vom Genver See über die RdGA nach Menton am Mittelmeer und dann über die Route Napoleon zurück - vorstellen konnte.
Alles toll - aber - hm - noch einmal acht Tage von Hotel zu Hotel fahren und aus den Koffern leben - da muss ich wohl etwas falsch verstanden haben :(
Ok, jetzt kenne ich mich ja - theoretisch - schon etwas in den französischen Alpen aus und einige unbedingt sehenswerte Punkte stehen mittlerweile auf der Wunschliste. Unsere Basis sollte nicht weiter als maximal 200 Kilometer von Menton am Mittelmeer entfernt sein - der Grand Canyon du Verdon sollte mit einer Tagesreise erreichbar sein - ebenso die Cians- und die Daluis-Schlucht - und an Pässen sollten der Bonette, Galibier, Cayolle und der Allos überquert werden.
Die Basis, die diese Wünsche alle erfüllen konnte, fanden wir schließlich im Hotel La Lauzetane im kleinen Ort Le Lauzet-Ubaye im Departement Alpes-de-Haute-Provence. Von dort aus ist es dann zwar "nur" die halbe Route des Grandes Alpes - aber für ein Touren - Alpenabenteuer satt und genug.
Über die Route des Grandes Alpes – für viele Motorradfahrer der ganz große Traum vom Motorradfahren – nach Menton am Mittelmeer.
Dazu "müssen" wir noch einmal ganz hoch hinauf auf den Col de la Bonette.
Auf der „Route des Grandes Alpes“ geht es dann immer weiter südlich, über hochalpine Pass-Straßen mit teils engen Serpentinen und schmalen Fahrbahnen. Mit Menton erreichen wir schlussendlich das Ziel dieser „spektakulären Route“.
Wir starten bei Kaiserwetter zu unserer Königsetappe. Gut 400 Kilometer liegen heute vor uns, aber bei der gewählten Streckenführung sollte das kein Problem für einen von uns sein.
Über Barcelonette und und Jausiers klettern wir noch einmal den Col de la Bonette hinauf, den wir ja schon von unserem ersten Tour Tag her kennen. Tatsächlich können wir die Auffahrt heute noch mehr genießen und die Blicke schweifen lassen, es gibt halt nicht mehr die große Anspannung wie beim ersten mal.
Am Scheitelpunkt erfüllt sind leider nicht die Hoffnung, heute doch noch die Sim de la Bonette fahren zu können - erst 900m ist die Rundtour um den Gipfel freigegeben. Am weitaus größeren Rest arbeiten die Räumfahrzeuge immer noch mit großem Einsatz. Wer weiß - vielleicht klappt es ja heute Abend, auf der Rückreise.
Am "Col Saint Martin" - 1852m, 10% / ** / SG2-3 - wartet noch ein Passknacker-Punkte darauf fotografiert zu werden, dann bleibt nur noch der Punkt am "Col de Turini". Zwar nur“ 1607 Höhenmeter - 10% / **** / SG2-3 - die haben es aber in sich.
Die Bergstrecke präsentiert sich mit ihren unzähligen Kurven als eine der anspruchsvollsten der gesamten Route. Nicht umsonst ist der Turini schließlich der Höhepunkt der Rallye Monte Carlo. Hier erleben wir grandiosen Kurvenspaß auf zwei Rädern.
Was auffällt - am Turini sind wir völlig allein unterwegs - kein anderes Fahrzeug teilt mit uns dieses Erlebnis. Erst als wir den Scheitelpunkt erreicht haben kündigt ein mächtiger Sound die Ankunft eines Porsche Carrera an. Der schaut sich am Scheitelpunkt kurz um, ob sich noch einer seiner Kumpel hier oben befindet. Da das nicht der Fall ist, braust er mit aufheulendem Motor auf der anderen Seite wieder hinunter.
Bevor es für uns weitergeht gibt's hier oben erst einmal eine Pause - am Scheitelpunkt der letzte PK-Punkt des heutigen Tages und einen Kaffee im Les Chamonis.
Wir liegen gut in der Zeit. Wir haben ausgemacht, wenn wir merken, dass wir Menton nicht bis 1300 erreichen können, fahren wir postwendend auf der gleichen Strecke wieder zurück. Aber nun sehen wir, dass wir rechtzeitig da sein werden.
Noch der „Col de l͚ Ablé“ 1149m, 11% / *** / SG2-3 und der „Col de la Castillion“ 628m, 10% / *** /SG2-3 – dann sehen wir die „Côte d͛Azur“ vor uns liegen.
Ein wenig später springen wir ins blaue Meer - oder zumindest entspannen wir uns an der Strandpromenade von „Menton“. Unzweifelhaft „un grand plaisir“ – ein ganz großes Vergnügen :-)
Menton ist weitläufig, laut und ziemlich voll. Einen Platz für unsere Bikes zu bekommen ist gar nicht so leicht.
Nach einer Ehrenrunde über den Strandboulevard ergattern wir dann doch noch genau sieben Plätze für unsere Bikes vor einer Bar. Dazu gehören dann auch noch Sitzplätze an der Promenade mit Blick aufs- und Zugang zum Meer.
Eine Stunde genießen wir die tolle, mediterrane Atmosphäre, die Promenade, den Strand und den Blick aufs Mittelmeer. Dann satteln wir wieder auf, wenden unsere Bikes nach Norden und starten unsere Rückreise.
Für unsere Rückreise gibt es im Grunde drei Varianten.
Varianten I - wir fahren die gleiche Strecke wieder zurück - und kommen dann insgesamt auf gut 400 Kilometer und 9 Stunden reine Fahrzeit.
Variante II - die Fahrt durch Monte Carlo. Natürlich wäre es jetzt cool, auf der Formel Eins Strecke, so wie wir sie aus dem Fernsehen kennen, durch Monte Carlo zu curisen. Die knapp bemessene Zeit und und die als ziemlich chaotisch beschrieben Verkehrsverhältnisse in Monaco schließlich diese Variante aber schon von selbst aus.
Wir entscheiden uns für die mautpflichtige Stadtautobahn an Monte Carlo und Nizza vorbei, um dann nordwärts wieder auf die RdGA zu stoßen - eine Stunde Fahrzeit sollten wir auf dieser Strecke einsparen.
ThomasK hat auf seinem TomTom schon die nächste Tankstelle geortet - sicher führt er uns auf seiner KTM durch das quirlige Menton dorthin. Auch mal schön für mich, einem Frontmann zu folgen.
Von der Tankstelle aus geht es steil hinauf auf die Autobahn. Der Verkehr ist ziemlich dicht, fließt aber mit 100km/h gut dahin. Es geht durch einige Tunnel, links sehen wir immer wieder das Meer und rechts ist die Landschaft mit jeder Menge Hochhäusern zugebaut. Nach einiger Zeit liegt die erste Mautstation vor uns, an der ein geringer Betrag fällig wird. Die richtige Spur auswählen, anhalten, Handschuhe aus Kleingeld rauskramen und in den Automaten stopfen bis die Schranke sich öffnet. Auf der Maschine sitzend ist das für mich schon ein ungewohntes Kunststück. Während ich die Handschuhe wieder schnellstmöglich anziehe - hinter mir wird man sicherlich schon ungeduldig - schaut mir die ganze Zeit dieser, mit einer Maschinenpistole im Anschlag bewaffnete Gendarm zu. Mir fällt nichts besseres ein, als ihn freundlich zu Grüßen - und er lächelt doch auch tatsächlich freundlich zurück.
Den Gang einlegen und erstmal ca. 30m vorfahren - hier können wir uns gefahrlos sammeln, bevor es weitergeht. So nach und nach treffen die Gefährten ein - der Einzige der noch fehlt ist ThomasK. Nachdem ich ihn in der breiten Reihe der Kassendurchfahrten ausgemacht habe, sehe ich mit Verwunderung, wie er verwundert vor der wieder verschlossen Schranke steht. Da hilft nur - wieder die Handschuhe aus, nochmals den Automaten füttern und schnell mit dem Bike an der offenen Schranke vorbei - die Handschuhe kann er sich ja auch am Sammelplatz anziehen.
Was war da eigentlich passiert. Nachdem ThomasK seine erste Zahlung geleistet hatte, nutzte ein Taxifahrer die Gelegenheit an ihm vorbeizufahren und so schloss sich die Schranke wieder noch ehe ThomasK seine Handschuhe wieder an hatte. Wer den Schaden hat... :)
Bei Nice Saint Isidore verlassen wir die A8 und zahlen, mehr recht als schlecht unsere Restmaut - auch nur ein paar Euro. Leider fahre ich danach falsch in den Kreisverkehr hinein und fahren nun wieder, in der entgegengesetzten Richtung auf der A8. Bei der nächsten Gelegenheit überqueren wir die A8 und fahren nun wieder auf der Gegenseite, müssen nun aber bis Nice Saint Augustin durchfahren, dort über den großen Kreisverkehr wieder auf die andere Seite der A8 wechseln und können dann, nach einigen Kilometern endlich die Autobahn in Richtung Saint Martin sur Var verlassen.
Ich bin total erleichtert, diesem Hin und Her glücklich entronnen zu sein - nur so langsam verebbt der Nachhall einiger kräftiger Ausdrücke aus meinem Helm.
Bei Rimplas treffen wir wieder auf die RdGA und wir haben wegen der recht zügig zu fahrenden Strecken eindeutig Zeit gut gemacht. In Saint-Sauveur-sur-Tinée halten wir auf dem Marktplatz für eine Pause - sogar eine Toilette steht hier den Reisenden zur Verfügung. Thomas kommt mit einem freundlichen Einwohner ins Gespräch, dem unsere deutschen Nummernschilder aufgefallen sind. Er hat als Ingenieur viele Jahre bei Daimler in Stuttgart gearbeitet. Er ist uns gegenüber sehr freundlich eingestellt und freut sich sichtlich, sich mit uns in deutsch zu unterhalten.
Einige Zeit später verliere ich meinen Flügelmann in einer Abzweigung der Schlucht der Tinée. Ein PKW hat sich zwischen uns gesetzt und ich sehe gerade noch Thomas an dem höhlenartigen Tunnel vorbeifahren, in den ich gerade eingebogen bin. Hier anhalten ist nicht so einfach, also ganz rechts an die feuchte Felswand gepresst und die Warnblinkanlage eingeschaltet. So nach und nach treffen die restlichen Gefährten an der Abzweigung ein, sehen das Blinklicht und reihen sich hinter mir ein. Und wie immer hat mein Wingman das richtige Gespür - einige Minuten später erscheinen er und Birgit von der anderen Seite im hellen Eingang zum Tunnel - der Plumps neben mir muss wohl der Felsbrocken gewesen sein, der mir hier, in diesem dunklen Tunnel, von den Schultern gefallen ist.
Wir sind wieder am Fuße des Bonette angekommen. Der Blick hinauf zur Spitze verheißt nichts gutes - sprich - die Spitze hängt in dunklen Wolken und ist nicht mehr zu sehen. Wir haben mittlerweile 18 Uhr und niemand außer uns ist mehr am Berg. Für uns gibt es keinen anderen Weg als den über den Col de la Bonette - also gehen wir es an.
Bis unterhalb der verlassen Militär- Ruinen geht es noch, aber ab dort fahren wir mehr und mehr durch dichte Wolken. Schließlich kann ich die Straße unter mir nicht mehr sehen - da hilft nur noch der Blick zwischen dem weißen Randstreifen und meinem TomTom. Im Grunde bin ich nun auf einem Simulations-Flug und die Zeit dehnt sich unendlich hin. Kaum zu glauben, wie lang solch ein Blindflug dauern kann. Endlich taucht im Display meines Navis der Scheitelpunkt des Bonette auf. Kurze Zeit später taucht dann auch der Durchbruch im Berg auf.
Und - es ist wie ein Wunder - von eben auf jetzt sind wir im gleißenden Sonnenschein und schauen weit hinüber bis zum Mont Blank - wir sind über den Berg.
Wir haben es geschafft - wir haben den Turini bezwungen und waren mit unseren Bikes am Mittelmeer.
Gefahren TourTag 4: 400 km von 9:00 bis 19:30 Uhr
Einen Bericht zu dieser und weiteren Touren findest du auch im: WestwardBlog
Viel Spaß & tolle Touren wünscht HerBert