5. Tag, während ich hier über den Zeilen für diesen Teil brüte, frage ich mich, wie es unter den Corona Bedingungen dieses und nächstes Jahr so mit den geplanten Reisen laufen wird. Dürfen wir in nächster Zeit überhaupt noch mit den Bikes in unsere Nachbarländer reisen und wie geht es den Menschen dort?
Heute
Land / Region: Rumänien / Siebenbürgen Charakter: Straße Länge: 380 Reisezeit: Mai |
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... Abend werden wir in Sibiu übernachten. Das war so zwar nicht geplant, aber aufgrund der angetroffenen Verhältnisse wie Straßensperrungen, Verkehr und Dauerregen haben wir das spontan beschlossen. Im Nachhinein war es eine gute Entscheidung. Sibiu (Hermannstadt) selber hat uns sehr gut gefallen. Nicht nur, weil sich die Staats- und Regierungschefs der EU am 9.Mai hier zu einer Tagung des Europäischen Rates getroffen haben. Sibiu besteht aus einer Unter- und einer Oberstadt. Die Oberstadt mit ihren drei zentralen Plätzen, den vielen Lokalen, Geschäften und der Fußgängerzone wirkt im Gegensatz zu den vielen kleinen Dörfern im Land sehr vornehm. In der Fußgängerzone ist mir eine interessante Lösung der Backstuben für ihren Verkauf aufgefallen: Die Backwaren sind im Schaufenster ausgestellt und in den Ladentüren sind Fenster eingelassen. Über diese erfolgt der Verkauf, während die Kundschaft draußen in einer Warteschlange wartet, bis sie an der Reihe ist. Alles ohne Stress. Nebenbei bemerkt, schmecken tut es auch noch gut.
Heute wollen wir uns Richtung Fâgâras Gebirge aufmachen. Für mich das Ziel, das auf meiner Todoo Liste ganz oben steht. Hier speziell ganz klar die Gebirgsstraße Transfâgârasan und Transalpina. Ich freu mich wie Bolle, weiß aber bei ehrlicher Betrachtung der Fakten, dass da eine ganz große Enttäuschung auf mich warten wird. Faktenlage ist, die Transfâgârasan ist gesperrt, aber die Transalpina nicht (so hatten wir es gelesen). Wo wir einmal in Rumänien sind, wollen wir es auf jeden Fall probieren.
Von Praid aus fahren wir mit einem kurzen Abstecher an Renasterea Cetatii Rupea vorbei. Die Burganlage?, Festungsanlage? ist sehr gut restauriert und hier finden wohl regelmäßig Veranstaltungen statt. Von hier aus geht es Richtung Dacia und hier sind die Straßen nicht die Allerbesten. Die Häuser teilweise nur notdürftig instandgehalten, aber wirklich mit dem, was man hat liebevoll gepflegt. Menschen halten uns an, nur um uns einen nicht nachgefragten Weg zu zeigen. Wir fahren an Höfen vorbei, wo gerade die Besitzer von Schafen gemeinsam ihre Tiere markieren. Die Männer sind sichtlich überrascht, dass wir anhalten und uns dieses Schauspiel nicht entgehen lassen. Auch hier findet sich jemand, der aufgrund seiner ehemaligen Tätigkeit in Limburg mit uns einen Plausch hält. Dies soll uns noch öfter passieren. Allein die Fahrt Richtung Fâgâras Gebirge (Bild 4) hat sich bis jetzt schon gelohnt.
Kurz vor der Straßensperre der Transfâgârasan kommen uns zwei Bikes entgegen. Da wir auch gerade angehalten haben, um ein paar Fotos zu schießen, werden wir schon mit dem Hinweis auf Bären „überfallen“. Die Geschichte mit den Bären will ich hier nicht wiedergeben, das könnt Ihr viel besser im Motorradabenteuer 05/2019 nachlesen. Die beiden Biker sind mir aus Text und Bild aus dem TF Artikel „In 48 Stunden um die Welt“ bekannt. Hier stehen also Dennis Ciminski-Tees und Markus Möller neben uns und haben das gleiche Reiseziel auserkoren. Wenn ich mir die Bikes der beiden so anschaue, sind wir sicherlich ganz andere Streckentypen. Die beiden lassen sicherlich kein Schlammloch und keine Schotterpiste links liegen während wir versuchen mit dem „normalen“ Straßensystem klarzukommen. Was nicht bedeuten soll, dass, wenn man auf Nebenstrecken unterwegs ist, man nicht ordentlich durchgeschüttelt wird und Wachsamkeit angesagt ist. Auf diesen Strecken bin ich froh, auf meiner Sänfte zu sitzen. Wobei ich aber auch feststellen muss, dass bei meiner Dicken das Federbein und die Gabelfedern an ihre Grenzen kommen.
Von den Beiden erfahren wir, dass der Pass wie erwartet noch gesperrt ist und man die Betonklötze aufgrund einer Bärenfamilie nicht umfahren sollte. Den Hinweis nehmen wir gerne an, wollen aber noch bis zur Sperrung bzw. dem Andenkenladen fahren. Bevor wir uns trennen bekommen wir als Übernachtungsempfehlung das Motocamp Cisnadioara in Michelsberg mit auf den Weg.
Da wir auf der Transfâgârasan nicht weiterkommen, machen wir uns auf in Richtung Transalpina. Ziel ist Brezoi, um von hier aus über die 7a Richtung Transalpina zu fahren. Die Streckenführung ab Brezoi sieht auch richtig gut aus. Was wir leider nicht bedacht haben, dass die Strecke von Tălmaciu nach Brezoi der absolute Irrsinn ist. Aber davon später.
Die Wetterlage ändert sich. Wir fahren in ein Regengebiet hinein. Ich gehöre zu den Menschen, die liebend gerne ihr Tagesgetränk, in meinem Fall Cola Zero, hinten auf der Gepäckrolle festschnallen. Na ja, festschnallen. Aufgrund der Straßenverhältnisse löst sich die Verbindung, die volle Flasche knallt Stefan vor das Vorderrad und ergießt durch den Aufprall den Inhalt der Flasche über Stefan. Aber wir müssen wegen des Regens sowieso anhalten und uns in die Regenkombi schälen. Ich mache das trocken unter einer Restaurantüberdachung und Stefan am Bike. Plötzlich höre ich nur noch einen Schrei und Stefan liegt unter seinem Bike. Wir richten die AT gemeinsam auf und ich murmel für mich nur “das wird jetzt wohl ein gebrauchter Tag“. So soll es kommen. Unterwegs sehe ich ein Schild, das in die Richtung von Brezoi nach Transalpina (auf rumänisch) „Inchis“ weist. Ich mache davon ein Foto und denke mir nichts dabei. Heute weiß ich auch, dass das geschlossen bedeutet. Wir hätten uns ganz viel Stress ersparen können. Die DN7 Richtung Brezoi ist fahrtechnisch vom Belag her okay. Aber will man sich in den Ortschaften an die vorgeschriebenen 30 km/h und außerorts an die vorgegebene Geschwindigkeit halten, fährt einem nach kurzer Zeit der nächstbeste 40-Tonner auf einen Meter auf und setzt einen unter Druck. Wer wird im Notfall wohl gewinnen? Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase bleibt einem nichts anderes übrig als im Strom mitzuschwimmen. Dass am Straßenrand Kinder spielen, während der Verkehr deutlich zu schnell vorbeidonnert stört niemanden wirklich, selbst nicht die Polizei. Stefan wird trotzdem fast von seinem Bike geschoben und mich überholen bulgarische Straßencowboys bei meinem eigenen Überholvorgang eines LKW’s auf der Gegenfahrbahn. Mit dem Ergebnis, dass die auch nicht mehr wissen, wohin sie noch ausweichen sollen. Aber Aufregen über diese Straßenverkehrsverhältnisse nutzt mir auch nichts. Dass ich das hier so vorfinde, habe ich im Vorfeld den Allgemeinen Reiseinformationen vom Auswärtigen Amt ja entnehmen können.
In Brezoi selber werden wir von aufgeschreckten Hunden angefallen, aber unsere Stiefel schützen uns vor dem Bösen. Aber hier ist die Fahrt Richtung Transalpina eh zu Ende. Keine Weiterfahrt möglich. Nach kurzer Lagebesprechung beschließen wir, uns in Sibiu einzuquartieren, um uns von hier aus dann in Richtung Donau zu orientieren. Der Nachteil ist, wir müssen die DN 7 zurückfahren. Da kommt Freude auf. Diese Straße dient letztendlich als Autobahnersatz für den gesamten LKW Verkehr. Das haben wir leider nicht gewusst. Am frühen Abend erreichen wir Sibiu und werden mit einer tollen Unterkunft (Goldsmith Apartments, Strada Târgului 1, Sibiu 550184, Rumänien) und einer wirklich sehenswerten Stadt belohnt.